Neues Ankunftszentrum für Flüchtlinge: Ankunft unter einem Dach
Der Tag der offenen Tür im neuen Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Reinickendorf zeigt: Die Stimmung in der Nachbarschaft hat sich entspannt.
Die Hangars waren von Flüchtlingsinitiativen als menschenunwürdig kritisiert worden: Es gab dort keinerlei Privatsphäre, die Geflüchteten wohnten in den Riesenhallen zwischen Stellwänden ohne Dach, die sanitären Anlagen waren unzureichend. Hinzu kam: Obwohl die ehemaligen Flugzeughallen eigentlich nur für wenige Tage als Wohnort dienen sollten, sah die Praxis anders aus. Wegen Engpässen bei den Behörden verzögerte sich die Registrierung, Menschen mussten dort über Wochen oder Monate wohnen.
Ende vergangenen Jahres hatte der Senat begonnen, nach Alternativen zu suchen. Nach einem Provisorium in der Schmidt-Knobelsdorff-Kaserne in Spandau, wo die Wohnbedingungen allerdings ebenfalls schlecht waren, wurden nun die ehemaligen Klinikgebäude zum Ankunftszentrum umfunktioniert. Es gibt dort 500 Plätze, 130 sind bereits belegt. Doch auch diese Häuser sind zunächst ein Provisorium. Denn die Gebäude auf dem nicht mehr benötigten Klinikareal sollen abgerissen werden und großflächigem Wohnungsbau weichen. Auch das Ankunftszentrum soll nächsten Winter einen Neubau bekommen.
Monika Hebbinghaus vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten beschreibt das neue Ankunftszentrum als „eine Lehre aus der Flüchtlingskrise 2015“: „Wir haben gesehen, dass wir die gesamte Registrierung und medizinische Erstversorgung, die aufwändiger ist als zuvor, unter einem Dach haben müssen“, sagte sie der taz. Das Zentrum bietet auch eine von der Arbeiterwohlfahrt angebotene Asylverfahrensberatung. Das ist notwendig, weil Asylverfahren oft sehr schnell ablaufen und Geflüchtete dadurch keine Zeit haben, sich extern anwaltlichen Rat zu holen.
Unter den Wittenauer Nachbar*innen, die zum Tag der offenen Tür kamen, drückten manche allgemeinen Frust über die Zuwanderung von Flüchtlingen aus – zu hören war etwa die Ansicht, „halb Afrika“ würde sich auf den Weg nach Deutschland machen, das müsse gestoppt werden. Eine Frau hielt der Sozialsenatorin unter großem Beifall vor: „Wir wären gerne gefragt worden, bevor der Senat hier das Ankunftszentrum beschlossen hat.“ Breitenbach hielt dagegen: „Über eins werde ich nicht reden: ob wir Flüchtlingsunterkünfte bauen oder nicht. Wir bauen Flüchtlingsunterkünfte, um Menschen in Not unterzubringen.“ Auch sie erhielt dafür viel Beifall.
Denn trotz kritischer Stimmen hat sich die Stimmung der Wittenauer gegenüber Flüchtlingen – verglichen mit dem Jahr 2013, als die ersten Wohnheime für Geflüchtete in dem Ortsteil eröffnet wurden – erkennbar normalisiert. Damals war eine Bürgerversammlung zu einem rassistischen Eklat eskaliert. Anwohner hatten fein säuberlich „Belästigungen“ protokolliert, etwa wenn Flüchtlingskinder auf benachbarten Spielplätzen spielten oder erwachsene Geflüchtete sie auf der Straße nach dem Weg fragten.
Als in einer Flüchtlingsunterkunft Kinder an Windpocken erkrankten, diente auch das damals der rassistischen Stimmungsmache. Flugblätter warnten vor „Seuchengefahr“ durch das Wohnheim. Das Bezirksamt stellte nach den Bürgerprotesten zwei Polizisten vor das Heim, die Bewohner daran hindern sollten, es zu verlassen.
Reinickendorfs Sozialstadtrat Uwe Brockhausen (SPD) erklärt der taz gegenüber die veränderte Stimmung damit, dass viele Befürchtungen der Anwohner nicht eingetreten seien. Aber auch mit der guten Öffentlichkeitsarbeit des Bezirks: Man reagiere „möglichst schnell auf Bürgeranregungen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“