Neues Album von Rapperin Kreayshawn: In den Pophimmel gepustet
Kreayshawn, die 22-jährige Rapperin aus San Francisco, ist ein wandelnder Shitstorm. Auf „Gucci Gucci“ folgt jetzt „Somethin Bout Kreay“.
Nix gegen bourgeoise Schlampen, ganz ehrlich! Ich finde, es kommt nur drauf an, wie sie ihre Gucci-Taschen tragen. Und manche von denen glauben echt, wenn sie wie’n Designermarken-Werbebanner rumlaufen, wären sie schon was Besseres. Dabei sind die so was von nicht gechillt. Deshalb musste ich sie in meinem Track ’Gucci Gucci‘ einfach mal als basic bitches dissen!“
Kreayshawn ist nicht amüsiert. Weder über die materialistischen Schlampen in ihrer Vorstellungswelt, noch über HipHop-Hasser, die ihr auf ihrer Twitterseite im Netz ganz real Gewalt angedroht haben. Üble Gewalt, anonym, versteht sich. Angst kennt die 22-jährige Rapperin aus San Francisco aber nicht. Im Gegenteil, sie ist ein wandelnder Shitstorm: kontrovers, unverschämt und reichlich mit Selbstbewusstsein gepanzert.
„Now Google that groupies follow me like Twitter / I’m rolling up my catnip and shitting in your litter“ reimte sie in „Gucci Gucci“. Der Song hat Kreayshawn über Nacht berühmt gemacht. 34 Millionen Mal wurde sein Clip im Internet angesehen, allein 3 Millionen Mal in den ersten drei Wochen nach seinem Posting im Sommer 2011. Das nennt man dann wohl viraler Smashhit. Und auf dieser Basis wurde Kreayshawn, die eigentlich Natassia Gail Zolot heißt, auch vom Majorlabel Columbia unter Vertrag genommen.
Ihr kommende Woche als Tonträger erscheinendes Debütalbum „Somethin’ ’Bout Kreay“ kann als Download im Netz bisher allerdings noch nicht an den Überraschungserfolg von „Gucci Gucci“ anknüpfen. Momentan ist sie damit auf Platz 104 in den US-Charts platziert. Abwarten.
Teenietestosteron
sonntaz
Diesen und viele weitere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 20./21. Oktober. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.
Wenn ihr gerade genauso schnell die Höhenluft abgelassen wird, wie man sie in den Pophimmel gepustet hat, so stellen ihre neuen Songs klar, dass Kreayshawn keine Eintagsfliege ist. Dem schnoddrigen Teenietestosteron von „Gucci Gucci“ lässt sie weitere wüste Anpflaum- und Abfahrtracks folgen. Von mainstreamiger Familienkompatibilität keine Spur.
Hauptsächlich geht es in ihren Reimen darum, Party zu machen, die Kreditkarte zu überziehen und mit dem Arsch zu wackeln, bis man sich vor Lachen in die Hose kackt. Musikalisch ist das meilenweit vom eleganten Flow-Theater des New-School-HipHop entfernt. Wahlverwandtschaften gibt es eher zu stärker lokal gefärbten HipHop-Substilen, wie Baltimore Bass oder Chicago Juke.
Kreayshawns Drummaschine lässt es ruckeln und zuckeln wie ein stotterndes Lowrider-Car an der Ampel. Die Samples klingen eher nach Grabbelkiste als nach filigranem Cratedigging, und für Abwechslung sorgt eigentlich nur Kreayshawns unvergleichliche kalifornische Quäkstimme, die klingt, als würde sie ihre Cola mit rostigen Nägeln schlürfen.
Eines darf man bei all der stumpfen Pracht nicht vergessen: Als weiße Rapperin muss sich Kreayshawn ihre Position im HipHop-Business doppelt hart erkämpfen. Als Folie gab es nur den genialen feministischen HipHop der Yeastie Girlz, ansonsten dominieren schwarze, zum Teil machistische Rollenmodelle, von denen sich Kreayshawn nicht beeinflusst sieht. Die Homophobie im HipHop stinke zum Himmel, sagt Kreayshawn.
Vernachlässigte Referenz
Als nicht zu vernachlässigende Referenz muss demnach ihr eigener Lebenslauf herhalten. Aufgewachsen mit einer Punkmutter, im Teenageralter abgeschoben zum Opa, später bei einer Tante wohnend. Von der Schule geschmissen worden. Mit 16 ausgezogen. Arbeit bei Ikea, nebenbei mit Drogen gedealt und als „Vermittlerin“ von zwei Internethostessen aufgetreten. Zur Musik kam Kreayshawn über den Umweg Film.
Von ihrem Ersparten kaufte sie sich eine Kamera, hörte auf zu dealen und fing an Freunde auf Partys zu filmen. Zu den Bildern schnitt sie Musik und merkte, dass ihr Rhythmusgefühl beim Filmfluss-Erzeugen behilflich ist. Bald inszenierte sie Videoclips für Rapper und erhielt ein Stipendium am Berkeley Digital Film Institute.
„Dass ich nicht im Gefängnis gelandet bin, ist echt ein Wunder. Mir kuckt wahrscheinlich ein Engel beim Rappen zu“, erzählte sie dem Journalisten Marlow Stern. Nun geht sie mit der geistesverwandten jungen Rapperin Rye Rye aus Baltimore erst mal auf Tour. Die gute Nachricht zum Schluss: Das Schlampenwort fällt in den 40 Minuten ihres Debütalbums geschätzte 300 Mal. „Bitch, I’m here and I’m back on /If you thought my first, was my last song / Face the fact / You couldn’t be more wrong.“ Word!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten