Neues Album von Metronomy: Dancerock ohne Arschlöcher
Weder hip, noch cool. Einfach nur straight: Die britische Band Metronomy veröffentlicht mit ihrem neuen Werk „Love Letters“ beste postmoderne Popmusik.
Der Aufstieg des britischen Quartetts Metronomy ist eine der erstaunlicheren Erfolgsgeschichten der letzten Zeit. Bereits 1999 gegründet, dauerte es sechs Jahre bis überhaupt das kurios betitelte Debütalbum „Pip Paine (Pay the £ 5.000 You Owe)“ erschien, das noch vom verhuschten Sound eines schüchternen Bedroom-Tüftlers bestimmt war. Zwei Alben später gelang ihnen 2011 mit „English Riviera“ ein großes Popalbum, das Metronomy dank Songs wie „The Look“ und „The Bay“ (mit seinem Refrain „And this isn’t London / And it’s not Berlin“) zu einer der spannendsten Bands Großbritanniens machte.
Zum ersten Mal ist die Gruppe um Mastermind Joe Mount nicht mehr in der kleinen Kennernische, sondern veröffentlichen mit „Love Letters“ ein veritables Popalbum. Bereits die erste Singleauskoppelung, der Titelsong „Love Letters“, signalisiert, dass Joe Mount diese Bürde annimmt und sein Projekt noch stärker in Richtung Pop entwickelt. Ein treibender Pianosound, der an den Soul der frühen Siebziger erinnert, dominiert den Song. Ein vom französischen Regiequerkopf Michel Gondry gedrehtes Video tut sein Übriges, die Rückkehr von Metronomy in lauten Tönen zu verkünden.
Und doch ist „Love Letters“ keine kalkulierte Hitsingle, die nur Erwartbares liefern will, sondern clever konstruiert und klanglich sophisticated. Mount ist eigentlich gelernter Drummer, schreibt alle Lieder von Metronomy und hat das neue Album praktisch alleine im Studio eingespielt – dennoch hat er feste Musiker um sich geschart, mit denen Mount live auftritt. Sie machen aus Metronomy eine „richtige“ Band. Im Grunde ist Joe Mount eher klassischer Songwriter, denn elektronischer Frickler.
Das beste Beispiel liefert gleich der Eröffnungssong des Albums: „The Upsetter“ ginge auch als Folksong Marke Bon Iver durch, würde nicht subtil im Hintergrund ein Beat pluckern und Mount mit simplen Mitteln dem Song so eine grundsätzliche Funkyness verleihen, die keine Monster-Bassline benötigt, um Tanzbodentauglichkeit zu signalisieren.
Nicht in der Kennernische
Dass Metronomy sich nicht unbedingt am Dancefloor orientieren – wenngleich sie im Clubkontext ohne Frage funktionieren – erklärt sich auch durch Joe Mounts persönliche Vorlieben. Er sieht die Soulstars des Motown-Labels als Blaupause für crispen Popsound an. Metronomy pfeifen auf Hipness, ihre Inspiration hat nichts mit Nerdtum zu tun. Lässt Joe Mount in seinen Texten direkte Anspielungen zu anderen Künstlern und Songs fallen, so sind die entschieden uncool und damit auf ihre Weise wieder unerwartet: „Re-living 1992 here / Playing „Sleeping Satellite“ / Playing Prince and Deacon Blue / Playing ’I will always love you‘“, singt er in „The Upsetter“.
Metronomy: „Love Letters“ (Because/Warner).
Auch die bereits angesprochene Single „Love Letters“ dient zur Veranschaulichung: Ohne Frage ist hier die Soulneigung Mounts herauszuhören, genau wie jene Funkschlagseite, die Daft Punk mit „Get Lucky“ letztes Jahr so eindrucksvoll vorexerziert haben. Dennoch umschiffen Metronomy allzu Offensichtliches. Die Wärme des alten Soul wird utilitaristisch mit der Funktionalität von Clubsound verbunden. Das ist es wohl auch, was Josh Homme von den Wüstenrockern Queens Of The Stone Age zu einem überraschenden Metronomy-Fürsprecher werden ließ: Als „Dance-Rock ohne Arschlöcher“ bezeichnete er die Musik von Metronomy und trifft damit ins Schwarze.
Subtil – ohne Frickelei
Metronomy fehlt jedes Überwältigungsmoment, im positiven Sinn. Ihre Songs zeichnet aus, dass sie Subtilität – bei gleichzeitiger Vermeidung von Frickelei – aufweisen und ihre Einflüsse völlig offen zur Schau stellen, dabei aber nicht zum Naheliegenden greifen. Dass Joe Mount das Vorgängeralbum „English Riviera“ betitelte, ist eben auch der Schlüssel zu seinem Popverständnis: einerseits ein klares Bekenntnis zur Luftigkeit und einem „alten“ Gefühl von Pop, das Assoziationen zum Disco-Jet-Set in Saint-Tropez hervorruft.
Anderseits betont der Titel aber notwendige Distanz und erklärt, dass hier am Ende eben doch schüchterne Typen aus einem englischen Kaff nur ihre Idee vom klassischen Pop mit den Möglichkeiten der zehner Jahre aufbereiten. Postpostmoderne Popmusik könnte sich keine bessere Band als Metronomy erfinden.
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