Neues Abtreibungsgesetz in Spanien: Fristenregelung wird abgeschafft

Spanische Frauen haben künftig kein Recht mehr auf freie Entscheidung über eine Abtreibung. Strafe droht den Ärzten, nicht den Frauen.

AktivistInnen vor dem Hauptquartier der konservativen Partido Popular: „Legale Abtreibung!“ und „Ich entscheide“, fordern sie. Bild: Reuters

MADRID taz | Spanierinnen haben künftig kein Recht mehr auf eine freie Entscheidung, ob sie abtreiben oder ein Kind austragen wollen. Die 2010 eingeführte Fristenregelung ist Geschichte. Der konservative Justizminister Alberto Ruiz Gallardón verkündete nach der Kabinettssitzung am Freitag eine neue rechtliche Regelung.

Das „Gesetz zum Schutz des empfangenen Lebens und der Rechte der schwangeren Frau“ stellt den Schwangerschaftsabbruch generell unter Strafe. Er wird künftig nur bei „Gefahr für physische und psychische Gesundheit der Frau“ sowie nach einem „Delikt gegen die sexuelle Freiheit und Integrität“ -sprich nach einer Vergewaltigung – möglich sein.

Eine Abtreibung bei starker Missbildung des Fötus, die bisher bis zur 22. Schwangerschaftswoche erlaubt war, wurde völlig gestrichen. Bevor eine Abtreibung aus medizinischen oder psychologischen Gründen genehmigt wird, braucht es künftig Gutachten von zwei unabhängigen Ärzten. Ein dritter Mediziner muss dann den Abbruch vornehmen. Sie dürfen nicht in der selben Klinik arbeiten.

Allen Ärzten, auch den Gutachtern, wird das Recht auf Gewissensfreiheit eingeräumt. Sie können sich damit weigern, schwangere Frauen vor einem Abbruch zu beraten.

Strafandrohung für Ärzte, nicht für die Frauen

Das neue Gesetz ist damit strenger als die alte Indikationsregelung, die von 1985 bis 2010 gültig war. 2010 führte der damalige sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero eine Fristenregelung ein, die den Frauen in den ersten 14 Wochen das „Recht auf eine frei entschiedene Mutterschaft“ einräumte.

Junge Frauen durften ab einem Alter von 16 alleine einen Abbruch vornehmen lassen. Künftig brauchen sie wieder bis zur Volljährigkeit die elterliche Einwilligung. Jährlich treiben in Spanien rund 118.000 Frauen ab – 90 Prozent aus einer persönlichen Entscheidung heraus, die restlichen zehn Prozent aus medizinischen Gründen.

Die konservative Partido Popular (PP), die jetzt die Regierung stellt, mobilisierte zusammen mit Lebensschützern und Kirche immer wieder gegen die Freigabe der Abtreibung. „Wir haben ein Wahlversprechen eingelöst“, erklärte Justizminister Ruiz Gallardón deshalb sichtlich zufrieden auf der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung. „Erstmals in der Geschichte Spaniens wird die Frau von jedweder strafrechtlichen Verfolgung befreit“, erklärte er. Das neue Gesetz sehe nur Strafen für Ärzte und Krankenhauspersonal vor, die illegale Abtreibungen vornähmen. „Die Frau ist immer Opfer“, fügte der Konservative hinzu.

Das neue Gesetz wirft – so Frauenbewegung und Opposition – Spanien um mehr als 30 Jahre zurück. „Die Frauen haben kein Recht mehr über sich zu entscheiden“, beschwert sich die stellvertretende Vorsitzende der sozialistischen PSOE, Elena Valenciana. Sie befürchtet, dass davon arme Frauen mehr betroffen sind als vermögende Frauen. „Diese können, wie bereits früher, außerhalb unserer Grenzen abtreiben“, fügte sie hinzu.

Vor 1985 gingen jährliche tausende Spanierinnen zum Schwangerschaftsabbruch nach Holland und Großbritannien. Die Frauenbewegung kündigte für Freitagabend Protestkundgebungen vor den Parteizentralen der regierenden Partido Popular in den meisten spanischen Provinzhauptstädten an.

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