Neuer Umweltschutzverein gegründet: Wenn die Energiewende spaltet
Die Gründer der „Naturschutzinitiative“ kommen zum Teil vom BUND. Dort wurde ihnen der Einfluss der Windkraftlobby zu groß.
Eine zu unkritische Haltung deutscher Umweltverbände gegenüber der Energiewende kritisierte in den vergangenen Jahren auch immer wieder BUND-Gründungsmitglied Enoch zu Guttenberg: „Mit der Naturschutzinitiative haben wir endlich wieder einen unabhängigen Verband, der sich für originären Naturschutz und den Schutz unserer Landschaften, Wälder, Wildtiere und Lebensräume einsetzt“, sagte er.
Neben Rheinland-Pfalz ist die Naturschutzinitiative bereits in Hessen, NRW, Baden-Württemberg und im Saarland aktiv. Ursprünglich war die Initiative nur im Westerwald aktiv und zählte damals bereits 3.000 Unterstützer.
Wenn Gründer und Vorsitzender Harry Neumann den BUND kritisiert, spricht er dabei aus Erfahrung. Noch bis Dezember 2014 war er selbst Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz. Damals sollte in Fürfeld im Kreis Bad Kreuznach ein Windpark gebaut werden. Der BUND klagte gegen den Bau, da die Auswirkungen auf die Natur nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, und bekam vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz recht. Die Folge: Baustopp und Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Doch die Streitereien im Landesverband gingen damit erst los.
Ein Windkraftlobbyist als Schatzmeister
Die von der Betreiberfirma Gaia durchgeführte UVP entsprach nach Ansicht des BUND-Arbeitskreises Naturschutz nicht den nötigen Anforderungen. Neumann nennt sie „eine reine Scheinprüfung“. Dennoch machte sich unter anderem der BUND-Landesschatzmeister Matthias Boller dafür stark, die UVP durch den Verband anzuerkennen und nicht weiter gegen den Windparkbau in Fürfeld vorzugehen. Pikant ist dabei, dass Boller zugleich stellvertretender Regionalvorsitzender des Bundesverbands Windenergie (BWE) in Rheinland-Pfalz ist. Ein Lobbyverband der Windindustrie.
Letztlich setzte sich Bollers Ansicht im Landesvorstand durch. Der BUND sah die naturrechtlichen Anforderungen für den Windparkbau erfüllt und verwarf die weitere Klagemöglichkeit. Neumann trat daraufhin als Landesvorsitzender zurück. Mittlerweile hat er dem Verband ganz den Rücken gekehrt. „Der BUND ist nicht unabhängig und glaubwürdig genug“, sagt der Vorsitzende der Naturschutzinitiative. „Er konzentriert sich zu stark einseitig auf den Bau von Windanlagen.“ Für die Belange des Naturschutzes sei da kein Platz mehr.
Harry Neumann
Dass der Konflikt zwischen Naturschützern und Klimarettern zum Aufbau neuer Verbände führt, ist für Jana Bosse nicht verwunderlich. Sie forscht an der FU Berlin zur Umweltbewegung. „Einige Personen, die aus dem klassischen Naturschutz kommen, fühlen sich dort nicht mehr richtig vertreten.“ Gerade beim BUND sei das Konfliktpotenzial wegen der stärkeren Ausrichtung auf die Energiewende größer.
BUND-Chef Weiger sieht keine Alternativen
Der BUND-Bundesvorsitzende Hubert Weiger hingegen kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Vereinzelt würden sich in BUND-Landesvorständen Mitglieder engagieren, die auch im BWE aktiv sind. Solange dies jedoch transparent gehandhabt werde, bestehe kein Problem. Zudem gebe es zum Bau von Windkraftanlagen keine Alternative.
Zwar räumt auch Weiger ein, dass „die Aufstellung von Windkraftanlagen das Landschaftsbild verändert und einige Tierarten gefährden kann“. Im Ausmaß seien diese jedoch „weniger schmerzlich als riesige Braunkohlelöcher, die Emissionen aus Kohlekraftwerken oder die Risiken der Atomkraft“. Eine Zusammenarbeit mit der neuen Naturschutzinitiative schließt er dennoch nicht aus.
Auch Neumann will keinen Streit. „Wir wollen nicht gegen die anderen Verbände arbeiten.“ Eine Kooperation kann auch er sich vorstellen, solange es dem Naturschutz dient.
Dieser Artikel wurde leicht geändert am 19. Februar um 11 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich