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Neuer Streit in NordirlandDie Quadratur des Kreises

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Unionisten wollen keine Zollgrenze – sie müssen aber mitregieren. Der Frieden in Nordirland sollte wichtiger sein als das Post-Brexit-Abkommen.

Friedensbrücke in Derry verbindet den katholischen und protestantischen Teil Foto: imago

E rneut eskaliert das Wortgefecht zwischen London und Brüssel über Nordirland. Großbritanniens Regierung erwägt, das Nordirlandprotokoll des Brexit-Abkommens gesetzlich auszuhebeln, um Zollkontrollen beim Warenverkehr zwischen Nordirland und Großbritannien nicht nur in der Praxis wegfallen lassen zu können, wie es aktuell schon oft der Fall ist, sondern auch in der Theorie. Die EU-Kommission regt sich fürchterlich auf und droht mit einer Suspendierung des gesamten Post-Brexit-Handelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich.

Man könnte fast meinen, es gäbe in Europa sonst keine Probleme. Die britische Regierung steckt aber tatsächlich in der Klemme. Die probritischen nord­iri­schen Unionisten der DUP machen ihre weitere Mitarbeit in der Regionalregierung davon abhängig, dass das Nordirlandprotokoll in seiner jetzigen Form verschwindet. Wenn das Protokoll also unverändert bestehen bleibt, wie die EU es verlangt, gibt es keine nord­iri­sche Autonomieregierung mehr.

Die aber, zwingend als gemeinsame Regierung der beiden stärksten Parteien der irisch-katholischen und probritisch-protestantischen Lager konzipiert, ist das Fundament der Friedensregelung des Karfreitagsabkommens von 1998 – das übrigens kein Wort über den Status der Grenze zur Republik Irland enthält.

Dass Sinn Féin, die Irlands Wiedervereinigung anstrebt, jetzt Nordirlands stärkste politische Kraft ist, ändert daran nichts, im Gegenteil: die DUP-Unionisten verloren den Status der stärksten Kraft nur, weil noch radikalere, gewaltbereite Unionisten ihnen Stimmen wegnahmen. Sie radikalisieren sich jetzt, aber trotzdem müssten DUP und Sinn Féin eigentlich Nordirland weiter gemeinsam regieren.

Die DUP lehnt das Nordirlandprotokoll ab, weil es Nordirlands Status im Vereinigten Königreich verändert. Nun macht sie klar: Entweder es gibt das Nordirlandprotokoll oder eine Nordirlandregierung. Nicht beides. Ohne Regierung ist das Karfreitagsabkommen langfristig Makulatur. Ist das Protokoll wirklich wichtiger?

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Wichtig ist,dass Gesamtirland eine Volksbefragung abhält,die nach rechtsstaatlich seriösem Maßstab den Volkswillen bestimmt ,ob man" give Ireland back to the Irish" möchte und dass das kirchliche Schisma politisch keinerlei Rolle spielt .



    Traurig ,wenn es sowas selbst in Europa des 21.jahrhunderts noch gibt,: " ich mag deine Religion nicht!"( Und deswegen sind wir Feinde und ueben Gewalt gegeneinander).



    Säkularisierung ubiquitaer,das waere doch eigentlich zeitgerecht .



    Englands EU Austritt ist deren Angelegenheit,die Schotten und Iren( die kuenstliche Existenz Nordirlands ist in meinen Augen eh ein Nogoe!) -Wollen mehrheitlich und heute mehr denn je ,Mitglieder der EU bleiben und sein!!



    Damit ist der Zerfall des vereinigten Königreich nur natürlich!Und wird kommen.