Neuer Spielfilm aus Rumänien: Drei Männer beim Graben
Heimlich im Garten der rumänischen Geschichte buddeln: „Der Schatz“ von Corneliu Porumboiu erzählt mit sprödem Witz.
Helden existieren heutzutage nur noch in Kinderbüchern. Und wie es sich für die Filme des rumänischen Lakonikers Corneliu Porumboiu gehört, trifft diese nüchterne Feststellung in „Der Schatz“ ausgerechnet ein Sechsjähriger. Der Vater entschuldigt sich bei seinem Sohn, weil er ihn zu spät von der Schule abgeholt hat, und beruft sich dabei auf die Tugendhaftigkeit Robin Hoods, dessen Geschichten er seinem Sohn jeden Abend vor dem Einschlafen vorliest.
Doch der Junge deckt den Bluff des Vaters mit kindlichem Trotz auf. Denn natürlich ist im postsozialistischen Rumänien kein Platz für Verfechter sozialer Gerechtigkeit oder anarchische Umverteiler des gesellschaftlichen Wohlstands. Genau genommen könnte der einfache Angestellte Costi, der mit Frau und Sohn in einem spärlich möblierten Apartment in Bukarest lebt, selbst einen Robin Hood gebrauchen.
Und so schiebt sich in der Eröffnungssequenz von „Der Schatz“ der geschnörkelte Robin-Hood-Schriftzug einer alten Buchausgabe noch vor den Titel des Films, als hätte Porumboiu eigentlich eine ganz andere Geschichte im Sinn. Eine Geschichte, die im rumänischen Kino, das immer wieder von sozialer Härte, Korruption und kafkaesker Bürokratie erzählt, nur selten Raum bekommt. Es wird kompakte 89 Minuten dauern, bis „Der Schatz“, der auf der Idee für einen Dokumentarfilm basiert, schlussendlich wieder an diesen Ausgangspunkt der Geschichte zurückkehrt.
Gute Nacht Geschichten
Porumboiu ist ein Meister der subtilen Verknüpfungen und Ellipsen. Immer wieder legt er Spuren, deren tatsächliche Bedeutung sich erst sehr viel später erschließt – ohne dabei zwangsläufig auf einen ultimativen Erkenntnisgewinn abzuzielen. Nur das Geld ist in „Der Schatz“ gewissermaßen von der ersten Einstellung an Thema.
Als Costi seinem Sohn eines Abends eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest, steht unvermittelt der Nachbar vor der Wohnungstür und bittet den Familienvater um Hilfe. Adrian war früher Besitzer eines Verlags, doch seit kaum noch einer Bücher kauft („Nur 2 Prozent der Rumänen lesen mehr als ein Buch im Jahr“, meint Costi, ohne eine Miene zu verziehen), hat er Geldsorgen. Er steht mit den Ratenzahlungen für seine Wohnung im Rückstand.
Der Vorschlag, den Adrian Costi unterbreitet, könnte ebenfalls aus einer alten Volkssage stammen. Auf einem Familiengrundstück, das schon dem Großvater gehörte, soll ein Schatz vergraben sein. Wenn Costi ihm helfe, diesen Schatz zu bergen, würden die beiden Männer sich den Fund teilen.
Ausdruckslos komisch
Nun klingt die Aussicht auf eine Schatzsuche im Film eines knochentrockenen Realsatirikers wie Corneliu Porumboiu eher nach einer Metapher für eine weit größere Geschichte. Porumboiu gilt nicht nur als Meister der subtilen Verknüpfung, mit seinem erzählökonomisch formschönen Minimalismus gelingt es ihm auch wie keinem Zweiten im gegenwärtigen Weltkino, aus konzentrierten, fast nuklearen Situationen makropolitische Beobachtungen herzuleiten.
Die Männer begeben sich dann aber tatsächlich auf die Schatzsuche, wobei schon die Vorbereitungen zu ausdruckslos-komischen Sitcom-Miniaturen mit Costis Boss und einem Verleiher von Metalldetektoren führen.
Wie schon in „12:08 – Jenseits von Bukarest“ und „Police, Adjective“ beruht der spröde Witz Porumboius dabei weniger auf klassischer Situationskomik als vielmehr auf einem strengen Formalismus, der die Protagonisten aus der Halbdistanz wie unter einem Brennglas einfängt. Im Hauptteil von „Der Schatz“ ist im Grunde nicht mehr zu sehen als Adrian, Costi und der meinungsstarke Cornel, dessen zwei Metalldetektoren visuell (die Grafiken der geologischen Analyse werden hilflos in alle Richtungen gewendet) und akustisch (die erratischen Ausschläge des Geräts bilden die enervierende Tonspur der Suche) eher zur allgemeinen Konfusion beitragen, beim Inspizieren des Geländes.
Ablagerungen von 1848
Später auch beim Graben. Diese Tätigkeit bekommt in „Der Schatz“ schließlich doch noch eine symbolische Dimension, da die stratigrafische Beschaffenheit des Bodens auch etwas über die Ablagerungen der Geschichte verrät.
Der Ort der Schatzsuche hat in der Landesgeschichte nämlich eine besondere Bedeutung: Hier erkämpften sich die Rumänen 1848 ihre Unabhängigkeit. Diese Information wiederum erweist sich für Adrian und Costi als kritisch, denn laut Gesetz hat der Staat auf alle Funde, die unter das nationale Kulturerbe fallen, ein Zugriffsrecht. So werden die Schatzsucher, heimlich im Garten der rumänischen Geschichte buddelnd, doch noch zu Outlaws im Konflikt mit der staatlichen Bürokratie.
„Der Schatz“, Regie: Corneliu Porumboiu. Mit Toma Cuzin, Adrian Purcarescu u. a. Rumänien/Frankreich 2015, 89 Min.
Die Gerechtigkeit liegt, so etwa könnte Porumboius These lauten, in der Verantwortung des Individuums, nicht des Staates. Doch sozialkritisches Pathos ist Porumboiu fremd, ebenso eine Neigung zu plakativer Ironie. Dafür gibt es schließlich die slowenischen Provorocker von Laibach, die im Abspann martialisch „Life is Life“ intonieren.
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