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Neuer Premierminister in ÄthiopienHalber Machtwechsel

Nach Jahren der Unruhe wird ein Vertreter des Oromo-Volkes Regierungschef. Er will Reformen – aber wie viel Spielraum hat er?

Äthiopiens neuer Premier (links) mit seinem Vorgänger Hailemariam Desalegn Foto: reuters

Nairobi taz | Äthiopiens neuer Premierminister Abiy Ahmed hat versprochen, den Mangel an guter Regierungsführung anzupacken. Kurz nach seiner Vereidigung im Parlament am Montag sagte der 41-Jährige: „Politischer Pluralismus ist ein Muss, denn das ist ein Grundstein dafür, dass die Demokratie funktioniert.“ Hoffnungsvolle Worte in einem Land, das nie Demokratie gekannt hat.

Abiy wurde vorige Woche vom Vorstand der Regierungsallianz EPRDF (Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker) gewählt, die Koalition von vier Parteien, die Äthiopien seit 1992 regiert. Mit seiner Wahl hat die Lage im Land sich ein wenig beruhigt. Seit drei Jahre protestieren vor allem junge Äthiopier gegen die autoritäre Regierung und verlange Freiheit der Meinungsäußerung und Demokratie. Das Besondere: Der neue Premierminister ist ein Oromo, die größte Bevölkerungsgruppe im Land und Träger der Proteste gegen die EPRDF-Regierung.

Leicht war die Wahl von Abiy Ahmed nicht. Die EPRDF brauchte mehr als einen Monat, um zu dem Entschluss zu kommen. Grund war der Streit zwischen Reformern und Hardlinern. Die Konservativen befinden sich vor allem in der TPLF, die aus einer Guerillabewegung hervorgegangene Partei des kleinen Tigray-Volkes, die politisch und innerhalb der Armee und Sicherheitsbehörden die größte Macht innehat. Hinter geschlossenen Türen verlangten sie Garantien, um nicht allen Einfluss zu verlieren.

Die äthiopische Bevölkerung scheint Abiy Ahmed eine Chance zu geben. „Aber“, so warnt Chefredakteurin Tsedale Lemma von der Zeitung Addis Standard, „es geht nicht um die Person. Es geht um fundamentale Änderungen in der Regierung.“ Abiy hat sich für Reformen ausgesprochen. Aber die Frage ist, wie viel Spielraum er bekommt, um tatsächlich zu demokratisieren.

Erst freigelassen, dann wieder verhaftet

Wie intensiv der Kampf innerhalb der EPRDF und der Regierung war, wurde in den letzten Wochen deutlich, als politische Gefangenen erst freigelassen wurden – um später wieder verhaftet zu werden. Schon seit Jahren werden Oppositionsmitglieder, Journalisten und andere Kritiker eingesperrt, aber seit dem Beginn von Massenprotesten 2015 sind mehr als 20.000 Menschen hinter Gitter verschwunden.

Der zurückgetretene Premierminister Desalegn Hailemariam fing Anfang dieses Jahres an, Hunderte politische Gefangenen zu entlassen. Aber viele innerhalb der Regierung waren nicht einverstanden damit. Der Druck auf ihm wurde zu groß und er trat ab – und seitdem sind etliche der Freigelassenen wieder inhaftiert worden.

„Ich hoffe, dass Ahmed die Macht der Partei beschränken kann und es möglich macht, dass das Parlament selbstständig operieren kann. Die nächsten Wahlen in 2020 müssen dafür den Beweis liefern“, twitterte Anwalt Zecharias Hailu aus den USA. Im äthiopischen Parlament hat die Opposition keinen einzigen Sitz.

Äthiopien hat in seiner Geschichte eigentlich nur autoritäre Führer gekannt. Das jahrtausendealte Kaiserreich war nicht demokratisch, auch nicht die Militärjunta, die den letzten Kaiser absetzte und umbrachte, und auch nicht die EPRDF.

Die Bevölkerung will Einfluss auf die Politik

Aber der Geist ist aus der Flasche und die Bevölkerung hat genug von Autokratie. Sie will Einfluss auf politische Entscheidungen und eine bessere Verteilung des wirtschaftlichen Wachstums. Die Regierung behauptet seit Jahren, das die Wirtschaft mit jährlich 11 Prozent wächst. Aber ein großer Teil der ungefähr 100 Millionen Äthiopier merkt davon nichts oder wenig.

Der neue Premierminister versprach jetzt, sich einzusetzen, um die Korruption zu zügeln. Am Ende seiner Rede erwähnte er die Toten, die in den letzten Jahren bei Proteste gefallen sind. „Aus dem Tiefsten meines Herzens bitte ich um Entschuldigung bei den Familien, die ihre Geliebten verloren haben.“ Gleichzeitig huldigte er den Männern und Frauen in Uniform. Schließlich hat Abiy Ahmed erst in der Armee Karriere gemacht, bevor er 2010 in der Politik ging und zunächst Wissenschaftsminister wurde.

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