Neuer Präsident von Myanmar: Win Myint wins
Einst politischer Gefangener wird der Unterhaussprecher Win Myint nun Präsident. Nach der Offensive gegen tausende Rohingya steht seine Regierung unter Druck.
Win Myint gilt als enger Vertrauter von Staatsrätin Aung San Suu Kyi. Weil deren Söhne britische Staatsbürger sind, durfte die Friedensnobelpreisträgerin und unangefochtene Chefin der regierenden Nationalen Liga für Demokratie (NLD) nicht selbst kandidieren. Noch vor den Parlamentswahlen 2015, die ihre Partei haushoch gewann, hatte sie angekündigt, dass sie „über dem Präsidenten“ stehen werde.
Beobachter erwarten von Win Myint keinen Kurswechsel. Er gilt als loyaler Anhänger Suu Kyis. Khin Zaw Win, Direktor des Tampadipa Institute, sagte: „Ich erwarte keine großen Veränderungen – es sei denn, Win Myint stellt die Interessen des Volkes denen von Aung San Suu Kyi und des Militärs voran.“
Win Myint war Anwalt am Obersten Gericht, als er wegen seiner Teilnahme an der Studentenrevolte von 1988 festgenommen wurde. 1990 gewann er bei den Wahlen einen Parlamentssitz. Den konnte er aber nie annehmen, weil das Militär die Wahlen für nichtig erklärte. Erst zwei Jahrzehnte später, nachdem die Generäle überraschend den Wandel zur Demokratie angekündigt hatten, zog er als Abgeordneter an Suu Kyis Seite 2012 ins Parlament ein.
Bekämpfung der Korruption und den Schutz vor Landraub
Der aktuelle Präsidentenwechsel wurde im Land gelassen aufgenommen. In den sozialen Netzwerken wünschten die Myanmarer ihrem Ex-Präsidenten, der sich kürzlich einer Operation unterziehen musste, gute Genesung und nahmen die Wahl des früheren politischen Gefangenen Win Myint wohlwollend zur Kenntnis.
Er wurde mit 403 von 636 Stimmen zum Präsidenten gewählt, der in Myanmar sowohl Staats- als auch Regierungschef ist. Win Myint ist seit der Gründung der NLD nach der Studentenrevolte deren Mitglied und gehörte in den vergangenen acht Jahren bereits zu deren Machtzirkel. Beobachter hoffen, dass er sich wegen seiner langjährigen Parlamentserfahrung aktiver in die Politik einbringt als sein unerfahrenerer Vorgänger Htin Kyaw. Als Unterhaussprecher hatte sich Win Myint vor allem für die Bekämpfung der Korruption und den Schutz vor Landraub engagiert. Er galt auch als strenger Parlamentsführer.
Die Neuwahlen hatten große internationale Aufmerksamkeit erregt. Seitdem infolge einer Armeeoffensive fast 700.000 muslimische Rohingya nach Bangladesch geflohen sind, steht nicht nur das Militär, sondern auch die zivile Regierung unter Druck. Die UN werfen Myanmar „ethnische Säuberungen“ vor und schließen einen Völkermord an den Rohingya nicht aus. Die Regierung weist alle Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zurück.
Der Historiker Than Myint-U kommentierte Win Myints Wahl mit den Worten: „Das Land kann sich gerade nichts anderes als seinen Erfolg leisten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen