Neuer Präsident in Somalia: Im Würgegriff der Clans

Mit der Wahl eines neuen Präsidenten sorgt Somalias Parlament für einen Machtwechsel. Es geht um die beiden mächtigsten Clans des Landes.

Mehrere Menschen stehen vor einer Polizeikontrolle

Abgeschottet: Somalische Abgeordnete bei der Sicherheitskontrolle vor dem Abstimmungsort Foto: Farah Abdi Warsameh/apFarah Abdi Warsameh AP

BERLIN taz | Wahlen in Somalia sind keine demokratische Angelegenheit, und die Wahl des neuen Staatspräsidenten durch das Parlament am Sonntag stellte keine Ausnahme dar. Die 329 Abgeordneten, die den Staatschef bestimmten, waren selbst nicht direkt gewählt, sondern sie waren entsandte Vertreter ihrer Clans und Subclans. Ihr Votum spiegelte also vor allem das Kräfteverhältnis zwischen den Clans wider.

Der bisherige Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt Farmaajo, gehört zum Clan der Darod – der Clan des Militärdiktators Siad Barre, der Somalia von 1969 bis 1991 brutal regierte und schließlich von Rebellen gestürzt wurde. Der neue Präsident Hassan Sheikh Mohamud gehört zum Clan der Hawiye – der Clan der wichtigsten Rebellenführer, die 1991 Siad Barre verjagten.

Die Hawiye-Warlords in der Hauptstadt Mogadischu zerstritten sich daraufhin so tief, dass Somalia auf Dauer im Bürgerkrieg versank, während der Nordteil des Landes sich als „Republik Somaliland“ unabhängig erklärte. Nicht nur unter Darod, auch unter anderen Clans ist damit in vergangenen Jahrzehnten das Gefühl gewachsen, Hawiye seien für Somalia insgesamt regierungsunfähig.

Hawiye machen den Großteil der Bevölkerung Mogadischus aus. Kein Wunder, dass die Wahl eines der Ihren zum Präsidenten Somalias auf den Straßen der Hauptstadt bejubelt worden ist. Das sagt aber noch nichts darüber aus, wie fest der neue Präsident im gesamtsomalischen Sattel sitzt.

Hawiye gegen Darod – ein alter Machtkampf

Hawiye-Politiker hatten Farmaajo zuletzt vorgeworfen, in die Fußstapfen Siad Barres zu treten und eine neue Diktatur errichten zu wollen. Sie verwiesen darauf, dass Farmaajo sich 2020 und 2021 mit zwei Hawiye-Premierministern hintereinander zerstritt und ab Februar 2021 auch nach dem formalen Ende seiner Amtszeit im Amt blieb.

Darod-Politiker hingegen behaupteten, Farmaajo vertrete die Bevölkerungsmehrheit, und verwiesen darauf, dass er von drei der fünf Regionalregierungen Somalias unterstützt werde. Die beiden größten allerdings, Puntland im Nordosten sowie Jubaland an der Grenze zu Kenia, die anders als die drei zentralsomalischen Regionen über eigene Armeen verfügen, waren gegen Farmaajo.

Das Bündnis dieser beiden Regionen mit Hawiye-Politikern in Mogadischu besiegelte jetzt Farmaajos Aus. Somalische Medien sehen Hawiye-Premierminister Mohamed Hussein Roble als Strippenzieher des Machtwechsels.

Die Hawiye haben also wieder einmal die Oberhand. Aber der neue Präsident war schon einmal in diesem Amt, von 2012 und 2017, und das war eine Zeit der Korruptionsaffären und politischen Dauerquerelen mit wechselnden Premierministern. Seine Abwahl 2017 wurde ebenso begrüßt wie jetzt 2022 seine Wiederwahl.

Ungelöstes Shabaab-Problem

Der ewige Machtkampf zwischen Darod und Hawiye ist nur eine von vielen möglichen Lesarten der ewigen Instabilität Somalias. International wird die Qualität einer somalischen Regierung vor allem daran gemessen, ob sie es schafft, Staatlichkeit wiederherzustellen und den seit 2006 währenden Aufstand der islamistischen al-Shabaab zu beenden, der im Süden Somalias Zehntausende Tote und mehrere Millionen Vertriebene gefordert hat.

Alle somalischen Präsidenten setzen bisher in erster Linie auf die militärische Lösung gegen die Terrorgruppe. Doch ursprünglich rekrutierten sich die Shabaab vor allem aus Angehörigen von Clans mit historisch niederem Status in der sehr hierarchischen somalischen Gesellschaft, die sich weder von Darod noch von Hawiye vertreten fühlen. Dies bleibt ein ungelöstes Problem für Somalia.

In die Amtszeit des neuen Präsidenten soll nun der endgültige Abzug der afrikanischen Eingreiftruppe fallen, die seit 2007 die wechselnden Regierungen Somalias schützt. Je tiefer die Politiker in Mogadischu zerstritten sind, desto geringer die Chance, dass sie ohne fremde militärische Hilfe bestehen.

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