Neuer Papst Franziskus: „Das ist schon richtig so“
„Meine Gedanken sind ganz eingefroren“, „er ist von Gott geschickt“: Die Wahl von Franziskus hat die Menschen auf dem Petersplatz überrascht.
ROM taz | Es brauchte fünf Wahlgänge und eine Möwe auf dem Dach, dann stand das 267. Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche fest: Jorge Mario Bergoglio wird als Papst Franziskus die Kirche führen. Seine Wahl ist eine doppelte Premiere: Noch nie in der Geschichte wurde ein Südamerikaner gewählt. Und noch nie kam ein Mitglied des Jesuitenordens in dieses höchste kirchliche Amt.
Am Abend hatten sich die Beobachter der Papstwahl noch über einen Vogel amüsiert, der hartnäckig auf dem Kamin der Sixtinischen Kapelle saß und auf allen Bildschirmen erschien, die auf den Schornstein gerichtet waren. Aber keine Taube, in der christlichen Mythologie ein Symbol des heiligen Geistes, stieg da den Kardinälen aufs Dach – sondern eine profane Möwe vom nahe gelegenen Tiber.
Etwa zu dieser Zeit kamen die 115 Kardinäle zu einer Mehrheit von mindestens 77 Stimmen für ihren neuen Chef. Der weiße Rauch aus dem Kamin um 19.08 Uhr versammelte dann tausende von Gläubigen und Schaulustigen auf dem Petersplatz.
Eine gute Stunde später erschallte unter dem Jubel der Zuschauer der Ruf „Habemus Papam“, und nach weiteren Minuten trat Franziskus I vor die Menge – mit versteinertem Gesicht und nur zu einer kurzen Ansprache. Er begrüßte die Gläubigen seines neuen Bistums – der Papst ist gleichzeitig der Bischof von Rom – und bat sie, für ihn zu beten.
„Viva il Papa!“
Auf dem Petersplatz waren dazu viele bereit. Auch, als noch gar nicht feststand, wer der neue Papst sein würde, sangen Gruppen von jungen Leuten an diesem kalten Abend auf dem nassen Kopfsteinpflaster „Viva il Papa!“
Manche waren wie Kaleigh Wilson und Andrew Schaaf, Wirtschaftsstudenten aus den USA, vor allem zum Platz gekommen, um „dabei zu sein, wenn Geschichte gemacht wird“, wie Schaaf sagte. Einen Favoriten hatten sie nicht, waren auch nicht katholisch und hatten irgendwas davon gehört, es gebe einen afro-amerikanischen Kardinal, der mit anderen im Streit liege ... „oder so“.
Andere waren sehr gut informiert. Pratheesh Thomas aus dem Kerala schwenkte begeistert die indische Fahne, kannte das Kardinalskollegium und war überzeugt, der nächste Papst sei ein Landsmann. Der Priesteranwärter war mit seinen Kollegen sicher, jetzt sei mal ein Inder dran. Schwester Francesca vom Orden der „Zwei Herzen der Liebe“ aus Nigeria wiederum war die Personalie eigentlich egal: „Egal, wer Papst wird, er ist von Gott geschickt“. Auch ein junger US-amerikanischer Priester wollte sich nicht erfrechen, die Entscheidung des heiligen Geistes zu kommentieren: „Das ist schon richtig so.“
Alle wurden enttäuscht
Die junge Römerin Marina Rinelli hatte dagegen auf den favorisierten Angelo Scola gehofft – mit der zweiten Wahl auf den Kanadier Ouellet. Und Barbara Weissenfels, die mit ihrer vierjährigen Tochter und der Oma zum Petersplatz gekommen war, wollte unbedingt den Pariser Kardinal André Vingt-trois auf dem Stuhl Petri sehen, „weil er die Theologie Ratzingers mit der Nähe zum jüdischen Volk fortführt“.
Ingegeerd Braatgard, evangelische Diakonin aus Göteborg, wiederum wünschte sich unbedingt den ghanaischen Kardinal Peter Turkson als Papst: „Wir brauchen einen schwarzen Papst, so wie die USA einen schwarzen Präsidenten haben.“
Sie alle wurden enttäuscht. Nur nicht Martin Astudillo, der mit einer argentinischen Fahne zum Petersplatz gekommen war. Der junge Priester konnte vor Begeisterung über den ersten Papst aus seinem Land und überhaupt von seinem Kontinent noch gar nichts sagen: „Meine Gedanken sind ganz eingefroren“.
Eine gute Wahl sei das, ein einfacher Mann, der für die armen Leute wirke. Und der selbst erklärt hatte, seine Kollegen hätten wohl gemeint, es müsse diesmal ein Papst vom anderen Ende der Welt sein. Dann zog Astudillo ab, zum Feiern. „Vielleicht mit einem Weißbier. Zu Ehren Eures deutschen Papstes.“
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