Neuer Name für einen Berliner Platz: Am Rabbi scheiden sich die Geister
In Charlottenburg-Wilmersdorf wollen die CDU und die ultraorthodoxe jüdische Gruppierung Chabad Lubawitsch einen Platz nach einem umstrittenen Rabbiner benennen.
In Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es derzeit eine ganz besondere Kooperation: Die ultraorthodoxe jüdische Religionsgemeinschaft Chabad Lubawitsch hat sich mit den örtlichen Christdemokraten verbündet, um einen kleinen Platz vor ihrem Bildungszentrum in der Münsterschen Straße nach dem Rabbiner Menachem Schneerson zu benennen. Heute Abend wird der BVV-Ausschuss für Gender Mainstreaming einen entsprechenden Antrag behandeln.
Die Chabad Lubawitsch gehört der chassidischen Spielart des Judentums an – eine ultraorthodoxe Ausrichtung mit besonders strenger Auslegung religiöser Gesetze. Rund 1.350 Einrichtungen in 65 Ländern unterhält die Vereinigung, eine davon auch in Wilmersdorf, wo Religionskurse angeboten werden. Der in der Ukraine geborene und 1994 in New York verstorbene Schneerson war einer ihrer Urväter. Er vertrat ultrakonservative Positionen in religiösen und gesellschaftlichen Fragen.
Teile der Chabad brachten dem Rabbi sogar religiöse Verehrung entgegen: Sie glaubten, in ihm den Messias zu erkennen. Eine andere kleine Gruppe innerhalb der Organisation geht davon aus, dass Menachem Schneerson noch lebt – er wäre heute 110 Jahre alt. Offiziell lehnt die Chabad Lubawitsch solche Vorstellungen ab.
Wegen der sektenartigen Ausrichtung der Chabad und der ultraorthodoxen und erzkonservativen Vorstellungen Schneersons ist der von der CDU eingebrachte Antrag daher alles andere als unumstritten. Die Kritiker sitzen in allen Fraktionen außer der CDU, umschiffen allerdings die inhaltliche Auseinandersetzung. „Wir werden das nicht in den Vordergrund stellen“, sagt Carola Böhm (SPD) zum Thema Konservatismus und Ultraorthodoxie. Ihre Fraktion wird dennoch geschlossen gegen den Benennungsvorschlag stimmen. Sie beruft sich dabei auf einen Beschluss, wonach Straßen und Plätze nur noch nach Frauen benannt werden sollen.
Merle von Wittich (Piratenpartei) wird den Antrag „im Sinne des Gender-Mainstream-Ausschusses“ mit derselben Begründung ablehnen. Darüber hinaus fühlt sie sich zu wenig über Schneerson und die Chabad Lubawitsch informiert. Sie sei derzeit damit beschäftigt, ihr Wissen zu erweitern.
Alternative: Regina Jonas
Auch Marlene Cieschinger gehört zu den Gegnern der Benennung. Die nach einem Parteiaustritt einzige in der BVV verbliebene Linken-Verordnete schlägt einen ganz anderen Namen vor: die 1944 in Auschwitz ermordete Regina Jonas, erste Rabbinerin Deutschlands.
Bei den Grünen gibt es trotz einer rot-grünen Zählgemeinschaft im Bezirk keine einheitliche Position. „Sehr umstritten“ sei der Vorschlag in der Fraktion, sagt ihr Geschäftsführer Ansgar Gusy. Die Grünen stellten aber auch in Frage, ob es sich lohnt, den winzigen Ort zu benennen. Daher könnten sie auch nicht dem Vorschlag der Linken-Verordneten Cieschinger folgen, den Platz nach Regina Jonas zu benennen. Laut Gusy sollten bedeutendere Orte den Namen solcher Personen tragen. Über die Beweggründe der Chabad hat Gusy ein klares Bild: „Denen geht es nur darum, die Adresse zu bekommen“.
Auch bei der CDU will man die religiösen und gesellschaftlichen Positionen des Rabbis nicht in den Vordergrund rücken. „Die Lehren des Rabbi Schneerson sind sicherlich konservativ“ sagt die CDU-Bezirksverordnete Marion Halten-Bartels. Ein Urteil über bestimmte religiöse Interpretationen möchte sie aber nicht fällen. „Das würde bedeuten, dass wir Kritik an einzelnen religiösen Richtungen üben.“ Die CDU habe sich mit dem Thema auseinandergesetzt und auch die jüdische Gemeinde um eine Positionierung gebeten. Die unterstütze den Benennungsvorschlag, so Halten-Bartels.
In der heutigen Ausschuss-Sitzung wird nach Auskunft der Piraten-Bezirksverordneten von Wittich auch Yehuda Teichtal, der charismatische Rabbiner der Chabad Lubawitsch, anwesend sein und für den Antrag sprechen. Ein weiterer Gast wird der Wissenschaftler Micha Brumlik sein, der für Auskünfte zu religiös-gesellschaftlichen Fragen zur Verfügung steht. Ganz konnten und wollten die Fraktionen diese Themen dann doch nicht ausblenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen