piwik no script img

Neuer Mathe-VergleichHamburg holt auf

Beim bundesweiten Mathe-Test hält nur Hamburg das Niveau und belegt einen Spitzenplatz. Grund seien Reformen, sagt die Bildungssenatorin.

Hier sind Hamburgs Schülerinnen relativ gut: Matheunterricht Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Kaija Kutter

Von

Kaija Kutter aus Hamburg

taz | Bei dem neuen bundesweiten Bildungstest in Mathematik und Naturwissenschaften schneidet Hamburg überraschend gut ab. Als einziges Bundesland sei es gelungen „das Kompetenzniveau in allen getesteten Bereichen zu halten und keine signifikanten Verschlechterungen zu verzeichnen“, teilte die Bildungsbehörde mit.

In einer Tabelle, die die erreichten Mittelwerte der Neuntklässler des Jahres 2024 in Mathematik vergleicht, erreicht der Stadtstaat den vierten Platz unter den 16 Bundesländern, gleich hinter Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg.

Ein genauer Blick auf diese Tabelle offenbart jedoch, dass der Mathe-Erfolg relativ ist. Denn Hamburg lag 2012, als die deutschen Schüler im Mittelwert 500 Punkte erreichten, die seither als Richtwert gelten, mit 489 Punkten auf Platz zwölf. Nun erreicht die Stadt mit 482 Punkten den vierten Platz, weil die anderen Länder so weit absackten, am weitesten Bremen mit 436 Punkten.

Solche „Bundesliga-Tabellen“ sind indes bildungspolitisch umstritten. Wichtig beim Messen der Qualität des Bildungssystems, welches das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) alle sechs Jahre für die Fächer durchführt, ist der Anteil der Schüler, die die Mindeststanddards verfehlen. Denn junge Menschen brauchen diese Fähigkeiten für ihr späteres Berufsleben.

Jeder Zehnte verfehlt Mathe-Mindeststandard

Und hier sieht das Bild etwas anders aus. In Hamburg verfehlen zehn Prozent der Neuntklässler diese Mathe-Mindeststandards für den Ersten Schulabschluss (ESA). Die Veränderung gegenüber 2018 gilt in der Studie aber nicht als bedeutsam. Den höchsten Anteil mit 17,4 Prozent hat Bremen, gefolgt von Hessen und Berlin mit 12,6 und 12 Prozent. Allerdings ist wegen der Zusammensetzung der Schülerschaft dieser Anteil in Stadtstaaten generell höher als in Flächenländern.

Insgesamt fällt der IQB-Bildungstrend 2024 „wenig erfreulich aus“, heißt es im Fazit des 40-seitigen Berichts, der am 16. Oktober in Berlin vorgestellt wurde. Bundesweit ist der Anteil der Schüler, die die ESA-Mindestanforderungen in Mathe verfehlen, um drei Prozentpunkte auf neun Prozent gestiegen. Der Anteil jener, die die Standards für den Mittleren Abschluss (MSA) verfehlten, stieg gar um fast zehn Prozent auf ungefähr 34 Prozent.

„Alle 16 Länder in Deutschland sind von dem negativen Trend im erreichen Kompetenzniveau betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß“, heißt es in dem Bericht. Positiv heraus stechen in den Naturwissenschaften einige ostdeutsche Länder, unterdurchschnittliche Werte in allen vier der gesteteten Fächer Mathe, Biologie, Chemie und Physik erreichten Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland.

Die Studie fragte auch das Befinden der Kinder ab und kam zu dem Ergebnis, dass es hier Nachwirkungen der Pandemie gibt. Die hier befragten Neuntklässler sind Schüler, die während der Corona-Pandemie gerade in die fünfte Klasse kamen, als die Schulen monatelang geschlossen wurden.

Viele Schüler mit Fluchtbiografie

Auch die „sozioökonomische Heterogenität“ hat sich vergrößert. Fünf Prozent der Schüler haben heute eine Fluchtbiografie. Damit ist dieser Anteil höher als bei den früheren IQB-Studien von 2018 und 2012. „Das deutsche Schulsystem hat erhebliche Integrationsleistungen zu erbringen“, schreiben die Studienautoren. Ihr Bericht zeige „die Bedeutung einer verbesserten Sprachförderung von Kindern mit geringen Deutschkenntnissen“. Auch die frühe Förderung im Kindergartenbereich sei hier wichtig.

Eben hier macht Hamburg offenbar einiges richtig. Das vergleichsweise gute Abschneiden sei „sehr erfreulich“, sagte Bildungssentorin Ksenija Bekeris (SPD). „Die vielen Maßnahmen, die wir seit dem letzten IQB-Bildungstrend 2018 eingeführt und umgesetzt haben, haben Wirkung gezeigt“.

Hamburg hatte bereits vor sieben Jahren eine zusätzliche Mathestunde für die 5., 6., 7. und 8. Klassen eingeführt und verfügt, dass dort nur noch ausgebildete Mathe-Lehrkräfte unterrichten. Außerdem wurden auf Basis der Empfehlungen einer Kommission die Bildungspläne verändert und ab 2020 mathematische Bildung in Vorschulklassen eingeführt.

Senatorin Bekeris sagte, sie habe den Anspruch, dass auch Hamurgs Schüler sich weiter verbessern, und räumte ein: „Ziel all unserer Anstrengungen muss es sein, den Anteil der Schülerinnen und Schüler zu verringern, die die Mindeststandards nicht erreichen“.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare