Neuer Kinofilm von Stephane Brizé: Die große Liebe in der Nachsaison
In „Zwischen und das Leben“ gibt es ein Wiedersehen in einem Badeort. Nach zuerst langen Kamerafahrten gibt es später eine überraschende Wendung.
Mathieu (Guillaume Canet) ist ein erfolgreicher Schauspieler, so berühmt, dass er immerzu auf Leute trifft, die sich mit ihm auf einem Selfie verewigen wollen. Zum Beispiel die Masseurin, er ist schon hingestreckt und entkleidet im Hotel an der nördlichen Küste, in dem er sich aufhält. Nicht zum Urlaub, sondern zur Thalassotherapie.
Mathieu ist in eine Lebenskrise geraten, in der Mitte des Lebens, bei den Proben zu einem Theaterstück auf einer der großen Bühnen in Paris. Er kommt vom Film, wollte etwas Neues wagen, hat eine Panikattacke erlitten und die Flucht ergriffen.
„Zwischen uns das Leben“. Von Stephane Brizé. Mit Guillaume Canet, Alba Rohrwacher u. a. 106 Min.
Nun ist er hier, im Hotel, an der Küste, außerhalb der Saison, was der beziehungsreiche französische Titel „Hors-saison“ bereits annonciert. Aber auch die Bilder führen es vor: langsame Kamerafahrt an den Häusern und Straßen des Badeorts entlang, wo im Moment keiner badet. Die Fenster verrammelt, kein Mensch zu sehen, verlassene Gegend, verlorene Seelen, Mathieu, zerknautscht und angegraut, schleicht durch einsame Gänge und entsättigte Bilder, ist noch nicht einmal dem schlichten Kaffeeautomaten auf dem Zimmer gewachsen.
Seine Partnerin ist in Paris, eine extrem beschäftigte Fernsehperson, sie findet am Telefon kaum eine Minute und in der Minute keine Geduld für seine Probleme.
Dann aber gerät unversehens eine andere Frau ins Bild: Alice (Alba Rohrwacher). Mit ihr war Mathieu vor langer Zeit, 15 Jahre sind es, zusammen; er war es, der sie damals verließ. Sie lebt in diesem abgelegenen Ort, hat einen Mann und eine Teenagertochter, hat von der Anwesenheit des berühmten Schauspielers gehört.
Meer, Wellen, Naturgewalten
Sie treffen sich, sie erzählen sich, was geschah, und beide merken, dass das, was sie damals verband, noch existiert. Am Strand spazieren sie als einsames Paar, von ganz hoch droben gottgleich blickt die Kamera auf das Meer, die Wellen, Naturgewalten, wie auch die Liebe.
Darum nun geht es dem Film, der den Ton vom Komödiantischen in Richtung Drama verschiebt, der einen Abschied, der keiner ist, an den anderen fügt. Man verliert ein wenig den Sinn für die Zeit, wie die beiden, Mathieu und Alice, hier nun gestrandet in ihren angebrochenen, halb vergangenen Leben, hineingewurzelt in Biografien, in denen für den anderen und die andere kein Ort sein kann: Er als Star in Paris, sie als Mutter, die Klavierunterricht gibt und im Altenheim tätig ist.
An dieser Stelle, mitten in der Verlorenheit einer starken, aber unerfüllbaren Liebe, macht Stephane Brizé (Drehbuch gemeinsam mit Marie Drucker) einen überraschenden und großartigen Zug. Er bringt eine andere Frau ins Spiel, Emmy (Emmy Boissard Paumelle), ja er übergibt ihr und bereitet ihr die ganz große Bühne: Sie lebt im Altenheim, berichtet aus ihrem Leben mit dem Mann, den sie nicht wirklich liebte, und davon, wie sie jetzt und hier, in der Nachsaison, spät, aber nicht zu spät, Gilberte (Gilberte Bellus) gefunden hat, die Frau und Liebe ihres Lebens.
In die Sanftheit manövriert
Ein Fest wird gefeiert, Alice hat es arrangiert, Mathieu ist dabei, im Zentrum sind die beiden eine ganze schöne Weile lang nicht, und der Film selbst ist davon wie beglückt, gibt sich ganz viel Zeit, sich und den beiden Frauen und zwei Vogelstimmenimitatoren, er ist nun zart, wo er ein bisschen flach war, überlässt sich ganz dem Moment.
Hinterher geht es dann auch mit Alice und Mathieu noch einmal weiter, erst so und dann so, aber von der Sanftheit, in die er sich durch Emmy und Gilberte manövriert hat, kommt der ganze Film nicht mehr los.
Wenn er eine Botschaft hat, dann ist es die, schlicht und wahr, den Augenblick zu genießen, denn er wird nicht verweilen. Für Emmy und Gilberte nicht und nicht für Alice und Mathieu.
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