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Neuer Hamburger Stadtteil OberbillwerderCDU und Linke gegen Wohnungsbau

Im Hamburger Stadtteil Oberbillwerder wollen SPD und Grüne Wohnraum für 15.000 Menschen schaffen. Nun schießt sich die Opposition auf das Projekt ein.

Bislang noch ein großer Acker: Hamburgs geplanter Stadtteil Oberbillwerder Foto: Christian Ohde/Imago

Hamburg taz | Ist der Wahlkampf eröffnet? Die Hamburger Bürgerschaftswahl im März 2025 ist zwar noch ein Dreivierteljahr hin, doch die Opposition scheint das von SPD und Grünen geplante Vorhaben gefunden zu haben, das sie nun verstärkt attackieren will: Seit Anfang des Monats liegen die Planungsunterlagen für Oberbillwerder aus, das größte anstehende Hamburger Stadtentwicklungsprojekt mit Wohnraum für rund 15.000 Menschen.

Und seither schießen CDU und Linke vereint dagegen. Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering lehnt sich schon weit aus dem Fenster: Mit der CDU werde es dieses Großprojekt nach der Hamburg-Wahl im kommenden März nicht mehr geben. „Wir werden Oberbillwerder beerdigen“, verspricht er. Dabei taugen die Argumente der Opposition nur begrenzt.

Eine am Dienstag veröffentlichte Antwort des Senats auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Stephan Jersch zeigt, dass die Baupreise auch für die geplanten Wohnungen in Oberbillwerder extrem hoch liegen. „Der Senat geht derzeit von über 4.400 Euro Baukosten pro Quadratmeter aus“, sagt Jersch. Das sei eine Steigerung von rund 65 Prozent gegenüber den ersten Planungen vor acht Jahren.

Damit sei nicht mehr erklärbar, wie der unumstritten dringend benötigte günstige Wohnraum entstehen könne. „Das Projekt Oberbillwerder muss gestoppt werden – besser heute als morgen“, fordert Jersch deshalb.

Eine neue Großsiedlung

Mit auf der grünen Wiese erbauten Großsiedlungen hat Hamburg schlechte Erfahrungen gemacht: Im 20. Jahrhundert errichtete Siedlungen wie am Osdorfer Born, in Mümmelmannsberg oder in Steilshoop gelten heute städtebaulich als Negativbeispiele.

Keine reine Schlafsiedlung soll Oberbillwerder hingegen werden, sondern auch Büro- und Gewerbeflächen für 4.000 bis 5.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Mit 1.500 Arbeitsplätzen rechnet der Senat aktuell schon durch die Verlagerung eines Campus der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW).

Vorbildlich soll Oberbillwerder auch durch den „weitgehenden Verzicht von ruhendem Verkehr im öffentlichen Straßenraum“ werden. Ziel ist zwar kein autofreier Stadtteil, aber immerhin, „das Auto in Hamburgs 105. Stadtteil möglichst überflüssig zu machen“.

Bislang ist Oberbillwerder eine große landwirtschaftlich genutzte Fläche entlang der S-Bahn-Linie von Hamburg nach Bergedorf. Hier soll bis Ende der 2040er-Jahre Hamburgs 105. Stadtteil entstehen. Die Idee dazu liegt schon einige Jahrzehnte herum, ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts konkretisierte der rot-grüne Senat das Vorhaben. Jersch bemängelt, dass dem Senat aber bisher noch keine Zusagen zum Wohnungsbau vorliegen. Er vergleicht es mit einer Gewerbefläche in der Nähe, für die vor einigen Jahren ein Landschaftsschutzgebiet vernichtet wurde und für die immer noch keine Nutzung gefunden wurde.

Was nun erneut in Oberbillwerder geschieht, sei also gar eine „vorauseilende Umweltvernichtung“. Der Senat erklärt hingegen, dass noch gar keine Zusagen vorliegen können, weil bislang auch noch keine Grundstücke für den Wohnungsbau ausgeschrieben wurden. Hinzu würde die übliche Vorgabe an die Immobilienwirtschaft, mindestens ein Drittel sozialen und damit preislich gedeckelten Wohnraum zu schaffen, auch hier gelten.

Auf die Linken-Kritik aufgesprungen ist nun aber auch der Landesverbands- und Fraktionschef der CDU, der im kommenden März als Bürgermeisterkandidat antreten will. Vor Ort, in der Bergedorfer Bezirkspolitik, gebe es keine Mehrheit für das Vorhaben, auch würde die Dimension des geplanten Stadtteils nicht zum dörflich geprägten Bergedorf passen, sagte Thering nun dem Hamburger Abendblatt.

Hamburgs Bevölkerung wächst seit Jahren beständig. Und auch wenn die tatsächliche Ein­woh­ne­r:in­nen­zahl vor drei Wochen nach der bundesweiten Zensus-Auswertung auf 1,81 Millionen leicht nach unten korrigiert wurde, ist nach einer Berechnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung weiter davon auszugehen, dass im Laufe der 2040er-Jahre die Zwei-Millionen-Marke geknackt wird. Da der Senat seit einigen Jahren regelmäßig daran scheitert, sein selbst gestecktes Ziel von 10.000 fertiggestellten Wohnungen pro Jahr zu erreichen, bekommt Oberbillwerder mit etwa 7.000 geplanten Wohnungen eine besondere Bedeutung.

CDU startet den Wahlkampf

Thering dagegen glaubt, die nötigen Wohnungen könnten durch Nachverdichtung geschaffen werden. Er wolle vor allem auf Wohnungsbau entlang der Magistralen setzen, also Neubauten entlang der Hamburger Hauptverkehrsstraßen – ein Konzept, das der rot-grüne Senat allerdings bereits seit sieben Jahren verfolgt. „Zudem müssen Bestandsgebäude in geeigneter Lage um ein bis zwei Stockwerke aufgestockt werden oder auch Neubauten entsprechend höher genehmigt werden“, sagt Thering.

Dass dafür in Hamburg noch viel Potenzial schlummert, bestätigten in den vergangenen Jahren auch schon Stadt­entwicklungsforscher:innen. Zugleich beklagt die Hamburger Wohnbauwirtschaft ähnlich lang, dass die Nachverdichtung immer schwieriger werde. Und das führe dazu, dass Nachverdichtung meist auch teurer ist als das Bauen auf der grünen Wiese.

Der Zeitpunkt zur öffentlichen Auslage der Planungsunterlagen kommt der Opposition durchaus passend: Eigentlich sollten die schon längst ausgelegt worden sein, doch nachdem das zuständige Bezirksamt Bergedorf auf Verfahrensfehler aufmerksam gemacht wurde, verzögerte es sich. Nun können Bürger:innen, Verbände und Initiativen noch bis September Kritik anmerken, auf die die Behörden bis Jahresende eingehen müssen. Eine abschließende Entscheidung des Senats stünde dann für Anfang kommenden Jahres an – mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs.

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5 Kommentare

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  • Hamburg benötigt diese Wohnungen sehr dringend und damit wäre dieses Gebiet hier ideal, um den Markt ruhiger zu bekommen.



    Und die CDU kann es doch nicht besser. Als sie regierten, wollten sie das Rathaus verkaufen, die Bezirksämter haben sie sogar teilweise verkauft. Auf deren Expertise würde ich nichts geben.



    Und die Bevölkerung schreit, sobald da ein paar Menschen mit eigenem Haus leben, lehnen sie Wohnungen und Unterkünfte ab. Bei der Stadt sind schon 45.000 Menschen in Notunterkünften und Wohnheimen untergebracht. Da leben Familien in Containern und teilsen sich eine Küche mit zwei weiteren Familienö. Unter solchen Konditionen so ein Programm auch nocht abzulehnen, zeigt, wie die CDU (und Linke) tickt

    • @Andreas_2020:

      Ihre Einschätzung das von der CDU wohl eher nichts zu erwarten ist, teile ich durchaus, nur ist der Punkt mit den Aufstocken generell nicht Falsch. Wie viel da zu holen wäre, weiß ich aber nicht, wäre wenn wohl auch nur ein Teil.

      Der Altbau in dem ich in Hamburg wohne, ist Dachtechnisch in schlechten Zustand. Da musste mal Notrepariert werden, damit das Wasser nicht vom Dach über den Bodenraum in meiner Wohnung landet, es wurde aber nur das Minimum gemacht. Das gleiche Schadensbild ist an anderen Stellen noch vorhanden. Gedämmt ist da auch nichts, da kann und sollte man mehr rausholen.

      Die taz könnte hier, von meiner Seite, gern nochmal ein aktuelles Interview mit den im Artikel erwähnten „Stadt-entwicklungsforscher:innen“ machen. Und diese bzgl. der aktuellen Vorstellungen/Plänen aller Parteien befragen bzw. sich zu diese äußern zu lassen, diese können auch darlegen was deren Einschätzung nach Sinnvoll ist. Gern auch mit der Vorgabe das dies möglichst Umweltfreundlich mit wenig Flächenversiegelung geschehen soll.

  • Die CDU plappert irgendwas von regionalem Bürgerwillen "passt nicht ins Stadtbild" und die Linken rechnen vor, dass die 15.000 Wohnungen nur für Reiche gebaut würden.

    Das sind ja nun völlig unterschiedliche Argumente, die man nicht in den Topf "die Opposition" werfen kann.

    Die Frage der Linken nach bezahlbarem Wohnraum in Hamburg ( und anderswo natürlich auch) ist berechtigt und bleibt unbeantwortet.

    Der Einwand der CDU ist dagegen einfach nur kleinkariert, wie eigentlich immer von dieser Partei.

    • @Uns Uwe:

      Linke und CDU wenden sich gegen das gleiche Projekt, die genaueren Gründe werden im Artikel erläutert, der Autor kann hier Opposition als Sammelbegriff nehmen.



      An Therings (CDU) Aussage „Zudem müssen Bestandsgebäude in geeigneter Lage um ein bis zwei Stockwerke aufgestockt werden oder auch Neubauten entsprechend höher genehmigt werden“ ist generell auch nichts einzuwenden.

      Hierzu laut Artikel: „Dass dafür in Hamburg noch viel Potenzial schlummert, bestätigten in den vergangenen Jahren auch schon Stadt-Entwicklungsforscher:innen“.

      Altbauten mit Un- oder schlecht Isolierten Dachböden, welche seit Errichtung nur mal sporadisch repariert wurde, haben Bodenräume wessen Fläche, teils Aufstockbar, in Wohnungen umwandelbar ist. Dies betrifft auch Jugendstilbauten. Das würde auch gegen mangelnde Wärmedämmung im Dachbereich helfen. Da muss dann natürlich politisch geregelt werden, das Mieter für die Aufgabe von Dachbodenraum belohnt werden (z.b. Festsetzung der Miete). Sowie der Verpflichtung das im betroffenen Gebäude längerfristige Sozialwohnungen dazukommen. Das wäre z.b. in Eimsbüttel und Eppendorf auch zu begrüßen.



      Da dürften dann Stadt und/oder Staat auch gerne subventionieren.

      • @serious?:

        Zur Ergänzung:







        Die politische Ebene wird vom Autor u.a. im zweiten Absatz aufgegriffen, Stichwort „Hamburg-Wahl“, später wird darauf hingewiesen das Hamburg bis 240 wohl um 190000 (Zensus) auf 2 Millionen Einwohner wachsen wird. Der Senat seit einigen Jahren aber regelmäßig daran scheitert, sein selbst gestecktes Ziel von 10.000 neu fertiggestellten Wohnungen pro Jahr zu erreichen.



        Was aufzeigt was für das Projekt spricht: „bekommt Oberbillwerder mit etwa 7.000 geplanten Wohnungen eine besondere Bedeutung“.

        Hier sind dann die Positionen der Parteien bzgl. ihrer Positionen, Ausgestaltung und den politischen Rahmenbedingung entscheidend, und natürlich deren Glaubwürdigkeit, auch bzgl. der Machbarkeit. Hier wäre die Frage, wie viel Substanz die Linke hat, die über die Frage nach sozialer Gerechtigkeit hinausgeht, welche sie liefern möchte.