Neuer Gesetzesentwurf zum Asylrecht: Höhere Leistungen, seltener Bargeld
Flüchtlinge sollen künftig fast so viel Unterstützung erhalten wie Hartz-IV-Empfänger. Die Hilfen sollen möglichst als Sachleistungen erfolgen.
BERLIN taz | Höhere Leistungen, aber seltener Bargeld für Asylbewerber und Geduldete – das sieht offenbar ein Gesetzentwurf des Bundessozialministeriums vor.
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sollen Asylbewerber und Geduldete künftig etwa 10 Prozent weniger bekommen als Hartz-IV-Empfänger: Einem alleinstehenden Erwachsenen stünden dann 336 Euro zu, Kindern bis zum sechsten Geburtstag 202 Euro. Bis Juli dieses Jahres mussten sie von nicht einmal zwei Dritteln des Existenzminimums für Deutsche leben; ein Erwachsener bekam nur rund 224 Euro.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die seit 1993 nicht angehobenen Sätze im Juli für verfassungswidrig erklärt. Die grundgesetzlich garantierte Menschenwürde sei „migrationspolitisch nicht zu relativieren“, so die Richter. Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) wurde verpflichtet, die Sätze für Asylbewerber neu zu berechnen.
Dass den Flüchtlingen, denen meist verboten ist, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten, nicht gleich der komplette Hartz-IV-Satz ausgezahlt werden soll, begründet die Bundesregierung laut SZ nun damit, dass sie wegen ihres „oft kurzen Aufenthalts“ Hausratsgegenstände wie Herd oder Waschmaschine von Amts wegen gestellt bekommen, statt eine pauschale Barzahlung zu erhalten. Die Hilfe soll möglichst als Sachleistung, in Form von Essenspaketen oder Gutscheinen gewährt werden. Würde das stimmen, würde sich die Lage für Flüchtlinge in vielen Bundesländern [PDF-Datei], die in der Vergangenheit zur Zahlung von Bargeld übergegangen sind, verschlechtern.
Laut SZ drängt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zudem darauf, dass Asylantragsteller aus Ländern, die nicht für politische Verfolgung bekannt sind, eine geringere Unterstützung erhalten: Neben den Essenspaketen soll es offenbar kein Taschengeld mehr geben. Dies sei nötig, um die Einreise aus „asylfremden, insbesondere aus wirtschaftlichen Motiven“ zu bekämpfen. Die Regelung zielt vor allem auf Roma aus Serbien und Mazedonien, die derzeit häufiger Asylanträge in Deutschland stellen. Friedrich will dazu offenbar die beiden Länder zu „sicheren Herkunftsländern“ erklären lassen.
„Alte Schützengraben“
Das Sozialministerium wollte den Bericht der SZ nicht bestätigen. Es gebe bislang nur einen „Arbeitsentwurf“, sagte eine Sprecherin von Ursula von der Leyen – und der sehe lediglich eine „Anpassung der Regelsätze“ vor. Die von Friedrich verlangten neuen Sanktionsinstrumente für die Roma wären demnach nicht enthalten.
„Exakt zwanzig Jahre nach dem ’Asylkompromiss‘ des Jahres 1992, mit dem das Asylbewerberleistungsgesetz auf den Weg gebracht wurde, bezieht Bundesinnenminister Friedrich wieder den alten migrationspolitischen Schützengraben“, sagte Günter Burkhardt von Pro Asyl. Der Gesetzentwurf zementiere außerdem die soziale Ausgrenzung von Asylsuchenden. „Sachleistungen und Essenspakete entmündigen Flüchtlinge in ihrer Lebensführung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen