Neuer Expertenrat der Bundesregierung: „Ruck gegen Rassismus“
Die Integrationbeauftragte der Bundesregierung beruft den Antirassismus-Expert*innenrat ein. Das Gremium soll vor allem strukurelle Probleme angehen.
Der Expert*innenrat soll sich vor allem strukturellen und institutionellen Rassismus vornehmen, denn in der Bundesrepublik sei Rassismus ein Alltagsphänomen. „Wir brauchen einen Ruck gegen Rassismus in unserer Gesellschaft“, sagte die Staatsministerin.
Seit Februar 2022 ist die Staatsministerin Reem Alabali-Radovan neben ihrem Amt als Integrationsbeauftrage auch die erste Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung. In ihrem Lagebericht vom Januar widmete sie sich explizit und umfassend dem Rassismus. Es war der erste Bericht seiner Art, der das Thema so in den Fokus setzte. Die Erhebung stellte strukturellen und institutionellen Rassismus fest: In Behörden, bei der Wohnungssuche, in Bildungseinrichtungen und auf dem Arbeitsmarkt würden Menschen regelmäßig Diskriminierung erleben.
In Deutschland habe man das Problem zu lange verdrängt und kleingeredet, so Alabali-Radovan. Deswegen soll der Expert*innenrat jetzt Veränderungen bringen. Nach der ersten Sitzung verkündete das Gremium seine Ziele: Die zwölf Mitglieder – Wissenschaftler*innen sowie Expert*innen aus Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – haben sich vorgenommen, konkrete Handlungsvorschläge zu erarbeiten. Sie werden der Staatsministerin in Zukunft beratend zur Seite stehen.
Rassismus-Definition als Handlungsgrundlage
„Wir möchten kein 600-Seiten-Papier, was in der Schublade liegt“, so Alabali-Radovan. Das Ziel sei es, voranzukommen und dort wo nötig, Handlungsroutinen und Prozesse zu hinterfragen und aufzubrechen. Zunächst soll der Rat dazu eine Rassismus-Definition erarbeiten. Oftmals gäbe es nämlich Unsicherheiten bei der Frage, was genau Rassismus sei oder eben nur ein sehr eingeschränktes Verständnis. Dann würden nur extreme Fälle von Rassismus oder rassistische Gewalttaten als solche identifiziert.
Mit der vom Expert*innenrat erarbeiteten Definition sollen Verwaltungsstrukturen arbeiten können, wenn sie Rassismus in der eigenen Behörde bekämpfen. Außerdem soll die Definition Betroffenen dienen, die sich gegen Diskriminierung wehren wollen, damit es keine Auslegungssache bleibt, ob ein Sachverhalt als rassistische Diskriminierung anerkannt wird.
Um zu prüfen, ob Antirassismus-Strategien erfolgreich sind, soll der Expert*innnenrat außerdem Indikatoren erarbeiten, die institutionellen Rassismus konkret benennen und messbar machen. Im Oktober will der Rat einen Zeitplan für seine weitere Arbeit vorlegen. Ende des Jahres sind außerdem Treffen mit Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“