Neue*r Chef*in des Bayerischen Rundfunks: Doch eine Wahl

Ende Oktober entscheidet der BR über seine neue Intendanz. Zum ersten Mal in der Sendergeschichte hat eine Frau gute Chancen.

Die Kandidatin für den Posten als Intendantin, Katja Wildermuth

Bewirbt sich als Intendantin beim Bayerischen Rundfunk: Katja Wildermuth Foto: Steffen Junghans/dpa

Normalerweise sind Intendant*innenwechsel im Bayerischen Rundfunk gut vorbereitete Veranstaltungen, die wenig Raum für Überraschungen lassen. So sollte es auch jetzt wieder sein, heißt es in München. Noch-Amtsinhaber Ulrich Wilhelm habe ursprünglich erst im Herbst seinen Entschluss verkünden wollen, nicht nochmal anzutreten. Dann wäre es bis zum Wahltermin Ende Oktober für weitere Kandidat*innen knapp geworden, was Wilhelms Wunschnachfolger, BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel, genutzt hätte. Doch das ging schief. Wilhelm, der ehemalige Sprecher der Bundesregierung, musste schon im Juli Farbe bekennen.

Frenzel steht weiter auf der Kandidat*innen-Liste. Neben ihm kandidieren jetzt MDR-Programmdirektorin Katja Wildermuth und Christian Vogg, Leiter Dokumentation und Archive beim Schweizer öffentlich-rechtlichen Fernsehen SRF. Wie schön: Die Rundfunkrät*innen haben am 22. Oktober nun eine echte Wahl.

Im SRF heißt es wenig charmant: „Wir halten das für’n Witz“, dass der gebürtige Augsburger Vogg in München eine Chance hat. So dürfte es auf ein Rennen Wildermuth gegen Frenzel hinauslaufen. Dass es überhaupt dazu kommt, ist auch der Lobbyarbeit der BR-Frauen zu verdanken. Deren Netzwerk „Female for Future“ wirbt für eine Intendantin und hat übliche Behauptungen, es gäbe ja leider nie genug in Frage kommende Kandidatinnen, souverän gekontert: Female for Future legte eine Liste mit 20 Namen vor. Vor Kurzem waren vier hochkarätige Medienfrauen bei den „unabhängigen“, also parteipolitisch nicht festgelegten Rundfunkrät*innen zu Gast.

„Die Situation für Frauen im BR ist unterirdisch“, sagt jemand, der es wissen muss. „Eine einzige Frau gibt es im bisher sechs-, seit Kurzem fünfköpfigen Direktorium des BR – und das seit Jahren. Noch nie stand eine Frau an der Spitze des Hauses“, formuliert das etwas weniger drastisch Female for Future in einer Presseerklärung. Auch auf den mittleren Hierarchieebenen seien Frauen anders als bei anderen Sendern „massiv unterrepräsentiert“.

Erste Frau in 70 Jahren Sendergeschichte

Das lose Netzwerk von rund 400 BR-Mitarbeiter*innen zeigte sich daher auch „enttäuscht darüber, dass es bei den vielen hochqualifizierten und bestens geeigneten Frauen, die für diese Position im Gespräch waren, nur eine auf die Wahlliste geschafft hat“. Das passe nicht zu den „vollmundigen Ankündigungen von fast allen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen, nun erstmalig in der 70-jährigen Geschichte des BR eine Frau als Intendantin ins Amt zu bringen“. Wobei man da geteilter Meinung sein kann: Schließlich würden sich mehrere Kandidatinnen wohl gegenseitig Stimmen abjagen.

Auf die beziehungsweise den Neu*en wartet kein leichter, aber immerhin ein gutbezahlter Job. Ulrich Wilhelm habe in seiner Amtszeit vor allem seine persönliche Agenda gefahren und am alten Hierarchiedenken festgehalten, heißt es im BR. Zahlreiche Frauen gingen im Streit, wie die Fernsehdirektorin Bettina Reitz oder Anke Mai, Leiterin des BR-Programmbereichs Kultur und Gesellschaft. Reitz leitet heute die Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) München, Mai ist seit Februar Programmdirektorin Kultur, Wissen und Junge Formate beim Südwestrundfunk.

„Es geht um mehr Miteinander und Augenhöhe“, sagt eine Redakteurin. Die Stimmung im BR sei mies. „Ulrich Wilhelm lächelt alles weg. Es gibt zwar formell jede Menge Arbeitsgruppen, aber wirklich einbezogen wurde niemand.“ Dabei ist die eigentliche BR-Großbaustelle durch die Coronapandemie noch unübersichtlicher geworden. Der Umzug des bisher auf zwei Standorte verteilten Senders in einem neuen multimedialen Komplex in Freimann zieht sich hin.

Auch das muss die oder der Neu*e managen. Der Rundfunkratsvorsitzende Prälat Lorenz Wolf sagte im Juli der Augsburger Allgemeinen, er habe keine Favorit*in, aber: „Ich würde mich über eine Intendantin freuen.“ Doch wenn selbst CSU-Granden im Rundfunkrat unter der Hand Zustimmung für eine Intendantin geäußert haben sollen: Für Vorfreude ist es zu früh. Dafür ist der BR immer noch der BR.

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