Neue queere Partyreihe: „Berlin akzeptiert dich“
Emrah, queer und aus Turkmenistan geflüchtet, will mit der neuen Partyreihe „Harem“ andere queere Flüchtlinge ermutigen, sich nicht zu verstecken.
taz: Emrah, diesen Samstag beginnt Ihre neue Partyreihe „Harem“. Warum sollte man die Show besuchen?
Emrah: Wir machen etwas völlig Neues in Berlin. Wir haben Dragqueens, die zu moderner Popmusik tanzen, aufgelegt von internationalen Star-DJs aus dem arabischen und dem westlichen Raum. Außerdem haben wir Go-go-Boys, die durch ihre Animation die Gäste zum Mittanzen anregen sollen. Und wir bringen den orientalischen Bauchtanz ein. Der Name der Show bezieht sich auf das arabische harim – das kennen wir alle, ein Ort, wo wunderschöne Tänzerinnen verborgen hinter einem Schleier tanzen.
Was war die Idee dahinter?
Für queere Menschen aus dem arabischen oder türkischen Raum ist ihre Sexualität ein Tabuthema, etwas, das sie verstecken müssen. Bei meiner Party ist das nicht so. Jeder/Jede* kann sich genau so zeigen, wie er oder sie* ist. Niemand muss seine Gefühle „hinter einem Schleier“ verbergen. Wichtig ist, dass das Publikum nahe bei den KünstlerInnen ist. Denn nur so kann sich die Energie von der Musik auf die TänzerInnen und weiter auf die BesucherInnen übertragen. Die Bühne ist sehr klein und auf einer Höhe mit den ZuschauerInnen – sie sind aktiver Bestandteil der Aufführungen, können spontan mitmachen.
An wen richtet sich die Show?
Wir wollen speziell queere Flüchtlinge ansprechen, ihnen einen Raum zum Feiern geben. Aber unsere Türen sind natürlich für alle geöffnet.
Emrah, 1994 in Turkmenistan geboren, ist ausgebildeter Make-up-Artist, arbeitet in Berlin aber als Bauchtänzer, Fotomodel und dreht Clips für YouTube
Wieso queere Flüchtlinge?
Ich selbst bin queer und geflüchtet und weiß daher, wie sich das anfühlt. In arabischen Ländern kann man seine Sexualität nicht ausleben. Mit meinen Shows möchte ich zeigen, dass wir Menschen wie du und ich sind und genauso ein Anrecht auf coole Partys und Spaß haben wie alle anderen auch.
Die Partyreihe
Die Mischung aus orientalischem Bauchtanz und moderner europäischer Musik macht die Orientalparty „Harem“ im Club Empire einzigartig im Berliner Nachtleben. Die Show startet an diesem Samstag ab 23 Uhr.
Die Bauchtanzszene Vorreiter für den männlichen Bauchtanz ist der Künstler Zadiel Sasmaz. Er hat eine Tanzschule und organisiert seit 2007 das „Orientalhane“. Das nächste „Orientalhane“ findet im April 2018 auf dem alten Flughafen Tempelhof statt. (taz)
Sie sind vor über vier Jahren aus Ihrer Heimat Turkmenistan geflohen. Warum ?
Wegen meiner Sexualität hatte ich große Probleme mit der Regierung dort, die konsequent gegen Homosexualität vorgeht. Menschen wie mir drohen in Turkmenistan Gefängnisstrafen von bis zu vier Jahren. Als ich 18 Jahre alt war, fanden die Behörden durch abgefangene Chats heraus, dass ich queer bin. Mir drohte Gefängnis. Darum habe ich das Land verlassen. Aber auch meine Verwandten haben mich nicht akzeptiert. Für sie bin ich kein Teil der Familie mehr.
Wann kamen Sie nach Berlin?
Im November 2015. Ich bin nicht direkt nach Deutschland gekommen, sondern war zunächst in der Türkei. Ein Onkel, der eine wichtige Position in der turkmenischen Regierung innehat, organisierte mir ein Visum. Dafür musste ich versprechen, niemals zurückzukommen.
Aber in der Türkei konnten Sie auch nicht bleiben?
Nein, trotz des offiziellen Visums drohte mir die Ausweisung nach Turkmenistan. Darum habe ich mich nach zwei Jahren entschlossen zu fliehen. Wie viele andere Flüchtlinge bin ich zunächst auf einem kleinen Boot von der Türkei nach Griechenland gefahren – obwohl ich nicht schwimmen konnte. Von da ging es weiter nach Deutschland.
Wie sieht Ihr Alltag heute aus?
Ich gehe zum Deutschkurs und nehme Unterricht bei Berlins berühmtestem Bauchtänzer Zadiel Sasmaz. Nächstes Jahr treten er und ich bei einer großen internationalen Bauchtanzshow in Tempelhof auf. Ich hoffe, dadurch weiter Fuß in der Bauchtanzszene zu fassen – auch international.
Szene ist ein gutes Stichwort: Wie offen ist die queere Szene in Berlin?
Sehr offen und frei. Die Stadt akzeptiert dich, und jeder erhält eine Chance, egal ob du aus Deutschland oder Turkmenistan kommst. Wichtig ist, wie du dich verhältst: Du musst jeden so akzeptieren, wie er/sie* ist, dann wirst auch du akzeptiert.
Wie offen begegnen Ihnen Menschen außerhalb der Szene?
Das kommt auf den Ort an. Am Hermannplatz fühle ich mich nicht so wohl. Dort gibt es viele Familien mit islamischem Hintergrund, die gegenüber queeren Menschen nicht offen sind. Aber insgesamt habe ich schon das Gefühl, dass du hier viel freier auftreten und genauso sein kannst, wie du bist.
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