piwik no script img

Neue nervige FloskelDer Daumen geht nach oben

„Alles gut?“ Über einen nervigen sprachlichen Dauerbrenner mit unklarem Wahrheitsgehalt, der wie eine neue Partei klingt.

Am Boden und trotzdem „alles gut“: Spieler Tim Kleindienst vom 1. FC Heidenheim Foto: dpa

D ie Sprache ist ein Markt der Floskeln und Wendungen, und deren Nutzung kostet nichts. Wann fing das eigentlich an mit „alles gut“? War es, als aus der schlichten Frage nach dem Empfinden – „Alles gut?“ – eine allumfassende Antwort – „­Alles gut.“ – wurde? „Alles gut“, das ist die Steigerung von „alles o. k“, und „alles gut“ ist gemeinhin gleichbedeutend mit einer Verweigerung einer Kommunikation, die im Dialog mehr will als besänftigen, beschwichtigen und narkotisieren.

„Alles gut“ ist ein sprachlicher Dauerbrenner. Es ist wie mit „dito“ – ist es einmal bemerkt, achtet man darauf, wer es benutzt und wie. Nur, anders als beim harmlos stumpfen und dumpf klingenden „dito“ stimmt bei „alles gut“ (im Gegensatz zum simpel Verlautbarten) etwas mit der Nachricht nicht. Eine merkwürdige Differenz zwischen klarer Nachricht – alles gut – und unklarem Wahrheitsgehalt – alles gut? – steht im Raum. Doch weder Sender noch Empfänger scheint das weiter zu stören. Alles gut. Wirklich merkwürdig.

Wie eine neue Partei klingt „alles gut“. Könnte viele Stimmen bekommen, die Alles-gut-Partei (AGP). Allein das Wort „alles“: Wie raumgreifend und allumfassend es ist. Was ist denn dieses totalitäre „alles“? Tutti kompletti? Weltmacht? Oder doch „alles zum mitnehmen“? Selten überblickt einer „alles“.

Und wie vollkommen „alles“ das folgende kurze Wort „gut“ beschwert. „Gut“ ist die Allzweckwaffe aller Kinder und Jugendlicher, um die redundanten Fragen der Eltern nicht zu beantworten. Wie war es in der Schule? Gut. Diese Schulnote, dieser Allerweltsname, dieses nicht zu fassende moralische wie öde „gut“! Und plötzlich soll alles gut sein, nicht nur bei Heranwachsenden?

Wie eine neue Partei klingt alles gut. Könnte viele Stimmen be­kommen, die Alles-gut-Partei (AGP)

Es gibt das „alles gut“ im Gespräch, das wie ein „ja, ja, hm, hm“ zu nehmen ist; dieses „alles gut“ soll beruhigen oder wenigstens einlullen. Doch wenn wirklich alles so richtig gut ist oder gut sein soll, dann machen die Arme und Hände vor dem Oberkörper flattrig-rhythmisch mit und zeigen dabei die Hände mit ihren Innenflächen nach vorne, als ob sie die Spielernummer 10 im Basketball anzeigen wollen. Wirklich alles soll dann wirklich gut sein.

Die Kurzform

Kurzform davon: Der Daumen geht nach oben. Dazu ein bestimmter, beschwichtigender Blick, Schnute nickt, fertig. Als ob dadurch das Ungeklärte, das Vertrackte und so gar nicht Klare (kein Korn) kurz und knapp, zumindest für den einen Augenblick des Gesprächs, dann nämlich, wenn es ernster oder schwieriger wird, zugedeckt oder weggewischt werden kann. Wenn so gesprochen also alles gut sein soll, dann ist das in der Regel ein klares Zeichen dafür, dass rein gar nichts gut ist und wir es mit irgendeiner Form von Krise (zwischen)menschlicher oder gesellschaftlicher Art zu tun haben.

Wie und wann kann aber auch alles gut sein? Ist „alles gut“ in Wahrheit ein utopischer Wunsch? Hat pure Maulfaulheit dafür gesorgt, dass das Zukünftige und Hoffnungsvolle in „alles wird gut“ nicht mehr zu hören ist? Wann sagt jemand, in der Negation gesprochen: „alles schlecht“? Vielleicht ist es eine gute (sic!) therapeutische Methode, zunächst mal vieles (nicht gleich alles) schlechtzureden, um dadurch nach und nach das rare wie wahre Gute zu finden. Tutto bene?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Es gibt tatsächlich einige sprachliche Verirrungen, die sich einschleichen und die man sich auch wieder abgewöhnen sollte.

  • Schlechtreden finde ich doof.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Diese Art zu schreiben, finde ich gut. Das Spiel mit Sprache bzw. Ohne!(Alles gut).Auch die unabdingbare Verbindung mit Mi mik und Gestik ist ausgezeichnet.



    Ich kann es nicht lassen und stelle flugs die Verbindung zur Vergangenheit her.

    Im Unterschied zu "Alles gut" ist Sprache NICHT vergänglich!

    .."Denn eben wo Begriffe fehlen, / da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. / Mit Worten läßt sich trefflich streiten, / mit Worten ein System bereiten, / an Worte läßt sich trefflich glauben, / von einem Wort läßt sich kein Iota rauben...."

    Eine kühne Gegenüberstellung:

    Alles gut - " Vorbei! Ein dummes Wort. Warum vorbei? / Vorbei und reines Nichts: Vollkommnes Einerlei! / Was soll uns denn das ewge Schaffen? / Geschaffenes zu Nichts hinwegzuraffen? / "Da ists vorbei!" Was ist daran zu lesen? / Es ist so gut, als wär es nicht gewesen."



    (Zitate J.W.v.G.)

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    ich beschäftige mich lieber mit sachen, die toll sind. davon gibt es zu wenig.



    sich an dingen abzuarbeiten, vergrößert deren raum.

  • 6G
    6028 (Profil gelöscht)

    Blöder noch finde ich "Ich bin fein (damit)" als Zustimmung, Kommt wohl von "I'm fine" im Sinne von "Ich habe keine Einwände.



    Am irritierendsten finde ich immer noch "Gerne".

  • 6G
    6028 (Profil gelöscht)

    Das übliche "Wie geht es Dir" ist ja im Allgemeinen keine echte Nachfrage, sondern eine Gesprächseröffnung.



    "Alles Gut" scheint mir eine schlichte Lehnübersetzung von "All Good" zu sein.



    Dies wiederum ist eine sprachliche Verschlampung wie "You O.K.?".



    Fazit: Alles Gut.

  • Alles gut. ...?



    Das war vorgestern, nach meiner Erinnerung.



    Seit so zwei , drei Jahren hat sich wieder was neues eingeschlichen in unsere Sprachwelt.



    "genau".



    Hört sich doch viel besser an, unterstreicht die Kompetenz des Gedankensuchenden.



    Genau.



    Knapp und direkt.



    Genau.



    Kurzr Gedankenpause, sich sammeln.



    Genau.



    Dann weiter mit Überzeugung.



    Genau.

    Ist immer lustig diese Wendungen in der Kommunikation zuerst von aussen zu bemerken, dann zu beobachten und schlisslich ist es so präsent, dass man es selbst anfängt zu benutzen.



    Genau.

    Spätestens dann ist es Zeit wieder eine neue Sau durch die Sprachlandschaft des Bildungsbürgertums zu treiben.



    Mal sehen was kommt nach "Genau".

    Genau.

  • "Verweigerung einer Kommunikation, die im Dialog mehr will als besänftigen, beschwichtigen und narkotisieren." Stimmt. Deswegen auch von mir regelmäßig benutzt. Kommunikation/Dialog ist doch meistens nur Gerede - und das muss und soll ja nicht tiefschürfend, lang oder anstrengend sein. "Alles gut", ich stehe nicht nur dazu, ich bejahe es ausdrücklich: lakonisch, stoisch, Frieden. Du, ich mutt...