Neue nervige Floskel: Der Daumen geht nach oben
„Alles gut?“ Über einen nervigen sprachlichen Dauerbrenner mit unklarem Wahrheitsgehalt, der wie eine neue Partei klingt.
D ie Sprache ist ein Markt der Floskeln und Wendungen, und deren Nutzung kostet nichts. Wann fing das eigentlich an mit „alles gut“? War es, als aus der schlichten Frage nach dem Empfinden – „Alles gut?“ – eine allumfassende Antwort – „Alles gut.“ – wurde? „Alles gut“, das ist die Steigerung von „alles o. k“, und „alles gut“ ist gemeinhin gleichbedeutend mit einer Verweigerung einer Kommunikation, die im Dialog mehr will als besänftigen, beschwichtigen und narkotisieren.
„Alles gut“ ist ein sprachlicher Dauerbrenner. Es ist wie mit „dito“ – ist es einmal bemerkt, achtet man darauf, wer es benutzt und wie. Nur, anders als beim harmlos stumpfen und dumpf klingenden „dito“ stimmt bei „alles gut“ (im Gegensatz zum simpel Verlautbarten) etwas mit der Nachricht nicht. Eine merkwürdige Differenz zwischen klarer Nachricht – alles gut – und unklarem Wahrheitsgehalt – alles gut? – steht im Raum. Doch weder Sender noch Empfänger scheint das weiter zu stören. Alles gut. Wirklich merkwürdig.
Wie eine neue Partei klingt „alles gut“. Könnte viele Stimmen bekommen, die Alles-gut-Partei (AGP). Allein das Wort „alles“: Wie raumgreifend und allumfassend es ist. Was ist denn dieses totalitäre „alles“? Tutti kompletti? Weltmacht? Oder doch „alles zum mitnehmen“? Selten überblickt einer „alles“.
Und wie vollkommen „alles“ das folgende kurze Wort „gut“ beschwert. „Gut“ ist die Allzweckwaffe aller Kinder und Jugendlicher, um die redundanten Fragen der Eltern nicht zu beantworten. Wie war es in der Schule? Gut. Diese Schulnote, dieser Allerweltsname, dieses nicht zu fassende moralische wie öde „gut“! Und plötzlich soll alles gut sein, nicht nur bei Heranwachsenden?
Es gibt das „alles gut“ im Gespräch, das wie ein „ja, ja, hm, hm“ zu nehmen ist; dieses „alles gut“ soll beruhigen oder wenigstens einlullen. Doch wenn wirklich alles so richtig gut ist oder gut sein soll, dann machen die Arme und Hände vor dem Oberkörper flattrig-rhythmisch mit und zeigen dabei die Hände mit ihren Innenflächen nach vorne, als ob sie die Spielernummer 10 im Basketball anzeigen wollen. Wirklich alles soll dann wirklich gut sein.
Die Kurzform
Kurzform davon: Der Daumen geht nach oben. Dazu ein bestimmter, beschwichtigender Blick, Schnute nickt, fertig. Als ob dadurch das Ungeklärte, das Vertrackte und so gar nicht Klare (kein Korn) kurz und knapp, zumindest für den einen Augenblick des Gesprächs, dann nämlich, wenn es ernster oder schwieriger wird, zugedeckt oder weggewischt werden kann. Wenn so gesprochen also alles gut sein soll, dann ist das in der Regel ein klares Zeichen dafür, dass rein gar nichts gut ist und wir es mit irgendeiner Form von Krise (zwischen)menschlicher oder gesellschaftlicher Art zu tun haben.
Wie und wann kann aber auch alles gut sein? Ist „alles gut“ in Wahrheit ein utopischer Wunsch? Hat pure Maulfaulheit dafür gesorgt, dass das Zukünftige und Hoffnungsvolle in „alles wird gut“ nicht mehr zu hören ist? Wann sagt jemand, in der Negation gesprochen: „alles schlecht“? Vielleicht ist es eine gute (sic!) therapeutische Methode, zunächst mal vieles (nicht gleich alles) schlechtzureden, um dadurch nach und nach das rare wie wahre Gute zu finden. Tutto bene?
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