Neue Zahlen zum Höfesterben: Weniger Bauern trotz Subventionen
Die verbleibenden Höfe sind so groß wie nie zuvor, zeigt die neue Agrarstatistik. Immer noch müssten die meisten Tiere dauerhaft im Stall leben.
Demnach sank die Zahl der Höfe in Deutschland von 2010 bis zum vergangenen Jahr um 12 Prozent auf 263.500. Das bedeutet nicht, dass es hierzulande bald keine Landwirtschaft mehr gibt, wie teilweise bei Bauernprotesten gewarnt wird. Denn die Agrarfläche sank nur um 1 Prozent, stagnierte statistisch gesehen also. Die Tierbestände schrumpften lediglich gering.
Die übrigen Betriebe übernehmen die Äcker, Weiden und Tiere der geschlossenen Höfe weitgehend. Deshalb hatten Schweinehalter im vergangenen Jahr im Schnitt 827 Schweine – rund 80 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Die Fläche des durchschnittlichen Bauernhofs stieg um 13 Prozent auf 63 Hektar. „Damit sind die Betriebe so groß wie nie“, sagte Christoph Unger, Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes.
Das Höfesterben trägt dazu bei, dass der Reichtum ungleicher verteilt wird. Je größer die Betriebe sind, desto weniger Arbeitsplätze pro Hektar bieten sie auch. Von März 2019 bis Februar 2020 waren 936.900 Arbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig. Das sind 13 Prozent weniger als vor zehn Jahren.
Nur 32 Prozent aller Rinder werden auf der Weide gehalten. 2020 standen 79 Prozent der Schweine auf Vollspaltenböden, 12 Prozentpunkte mehr als zuletzt. Solche Böden sind perforiert, damit die Exkremente in einen Behälter darunter fallen können. Sie erhöhen aber das Verletzungsrisiko der Tiere. Immer noch haben die meisten Legehennen nie Auslauf im Freien.
Trotz der Kritik an artenarmen „Maiswüsten“ bauen die Landwirte 26 Prozent mehr Silomais für Rinder oder Biogasanlagen. Diese Pflanze belegt 20 Prozent der Ackerfläche. Nur Getreide bekommt mehr Hektar.
Diese Entscheidungen treffen vor allem Männer: Lediglich jeder neunte Betrieb wird von einer Frau geführt. Dieses Frauendefizit wird noch lange bestehen. Von den designierten HofnachfolgerInnen sind nur 17 Prozent weiblich. Immerhin sind das etwas mehr als 2010.
Die Daten zeigen aber auch, wie viel die Europäische Union durch ihre jährlich rund 55 Milliarden Euro Agrarsubventionen bewirken kann: Vor allem seit die EU den Anbau von Hülsenfrüchten wie Klee, Erbsen und Sojabohnen fördert, ist deren Anbaufläche um 36 Prozent gestiegen. Solche Pflanzen reichern Nährstoff im Boden an, sodass zum Beispiel auf Kunstdünger verzichtet werden kann. Zu diesem Ziel tragen auch Zwischenfrüchte wie Klee, Senf oder Grünroggen bei, die nach der Ernte einer Hauptfrucht und vor der Aussaat der nächsten auf einem Feld angebaut werden. Sie werden ebenfalls von der EU begünstigt und vergrößerten prompt ihr Fläche um 66 Prozent – aber auf niedrigem Niveau: Hülsenfrüchte und Zwischenfrüchte gibt es immer noch auf nur 20 Prozent der Äcker.
Ebenfalls auf niedrigem Niveau, aber stark gewachsen ist der Ökolandbau: Seine Fläche legte um 69 Prozent zu. Doch der Anteil am Agrarland insgesamt beträgt nur ein Zehntel.
Agrarministerin Klöckner kritisiert Umweltschützer
Auf der Agrarmesse Grüne Woche verteidigte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Bauern gegen Kritik von Umwelt- und Tierschützern. Die Branche verändere sich, sagte die CDU-Politikerin. „Es ist aber nie genug“, bemängelte Klöckner. Kritiker würden die Leistungen der Bauern nicht anerkennen, etwa dass sie weniger Pestizide einsetzten.
Bestimmte Gruppen folgten in der Debatte einem „Wunschgefühl nach heiler Welt“. Die Diskussion sei oft durch eine städtische Sicht geprägt. Tier- und Umweltschutz müssten mit Ökonomie verbunden werden, und Ernährungssicherheit sei keine Selbstverständlichkeit. Klöckner betonte, „dass die CDU/CSU an der Seite der Bauern ist“.
Das Agrarbündnis, ein Zusammenschluss von 26 Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz wies den Vorwurf der Ministerin zurück. „Wir kritisieren nicht die Bäuerinnen und Bauern in Deutschland, sondern die politischen Rahmenbedingungen“, sagte Phillip Brändle, Pressesprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
Klöckner wolle von ihrer eigenen Verantwortung ablenken. Auch wenn beispielsweise die Überdüngung marginal gesunken sei, „es reicht eben nicht“. Klöckner müsse endlich eine Abgabe auf Fleisch und eine Subventionsreform durchsetzen, mit der Bauern eine tierfreundlichere Haltung finanzieren könnten. Keinesfalls würden zu wenige Nahrungsmittel produziert, sondern sie würden nicht richtig verteilt, ergänzte Antje Kölling, Abteilungsleiterin beim Bioverband Demeter.
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