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Neue Studie der Bertelsmann-StiftungFachkraftquote in Kitas sinkt deutlich

Immer mehr Quer­ein­stei­ge­r:in­nen arbeiten in Berliner Kitas. Die Entwicklung gehe zulasten der pädagogischen Qualität, warnen Expert:innen.

Professionell aufgetischt? In Berliner Kitas sinkt die Fachkraftquote Foto: IMAGO

Berlin taz | Der Anteil an Quer­ein­stei­ge­r:in­nen in Berliner Kitas ist deutlich gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung. Demnach sank der Anteil der Kitas, welche die empfohlene Fachkräftequote von 82,5 Prozent erfüllt, deutlich. Erfüllte 2017 noch 52,9 Prozent der Betriebe in Berlin das Kriterium, waren es 2024 nur noch 35 Prozent.

Die Stu­di­en­au­to­r:in­nen sprechen von einer „Deprofessionalisierung“ im Kitabereich. Die zunehmende Beschäftigung von Quer­ein­stei­ge­r:in­nen stelle ein erhebliches Risiko dar. „Der Zusammenhang zwischen Fachkraft-Quote und Kita-Qualität ist wissenschaftlich belegt“, sagt Anette Stein, Expertin der Bertelsmann-Stiftung für frühkindliche Bildung. Gleichzeitig erhöhten Quer­ein­stei­ge­r:in­nen die Belastung für das verbleibende qualifizierte Personal.

Im bundesweiten Vergleich steht Berlin mit einer durchschnittlichen Fachkraft-Quote von 72 Prozent im Mittelfeld. Am besten schnitten die ostdeutschen Bundesländer ab, allen voran Thüringen mit einer Quote von 94,3 Prozent. Am schlechtesten steht Bayern da.

Verantwortlich für den Anstieg ist vor allem der Er­zie­her:­in­nen­man­gel der vergangenen Jahre. Schon 2018 waren sich Politik und Träger einig, den Fachkräftebedarf durch Quer­ein­stei­ge­r:in­nen zu kompensieren. In Berlin dürfen nach einer berufsbegleitenden Weiterbildung auch Angehörige aus verwandten Berufsfeldern wie Ergotherapie, Logopädie oder Kinderpflege in Kitas arbeiten.

Steigender Kostendruck

Einen weiteren Grund sehen die Au­to­r:in­nen im Kostendruck des Kitasystems. In der letzten Gehaltsstufe bekommen Quereinsteiger rund 400 Euro weniger pro Monat. „Angesichts knapper Kassen ist die Versuchung groß, an der Kita-Qualität zu sparen“, sagt Kita-Expertin Stein.

Dieser Kostendruck könne sich in Zukunft noch weiter verschärfen, warnt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. In den laufenden Verhandlungen um den Rahmenvertrag über die Kitafinanzierung (RVTag) zwischen dem Berliner Senat und den freien Trägern wolle der Senat die Pauschale, die pro Mitarbeiter gezahlt wird, dem gestiegenen Anteil an Quer­ein­stei­ge­r:in­nen anpassen, sagt Verdi. Damit stünde weniger Geld pro Mit­ar­bei­te­r:in bereit.

„Wir befürchten, dass sich die Tendenz zur Deprofessionalisierung mit den finanziellen Verschlechterungen fortsetzt“, sagt Verdi-Landesbezirksleiterin Andrea Kühnemann.

Etwas gelassener sieht das Lars Békési, Geschäftsführer des Verbands der kleinen und mittelgroßen Kitaträger in Berlin. Die Fachkräftesituation sei heute deutlich entspannter als noch vor ein paar Jahren. Aufgrund des Geburtenrückgangs gehe der Bedarf nach Kitaplätzen deutlich zurück. Das erlaube Trägern wieder mehr Wahlfreiheit beim Einstellen. Und bei Neueinstellungen oder Personalabbau würden Mit­ar­bei­te­r:in­nen mit Er­zie­he­r:in­nen­aus­bil­dung gegenüber Quer­ein­stei­ge­r:in­nen bevorzugt. „Wir können wieder die Spreu vom Weizen trennen“, sagt Békési.

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