Neue Statistik des Bamf: Mehr Flüchtlinge in eigener Wohnung
Raus aus der Sammelunterkunft: Rund drei Viertel der Geflüchteten, die seit 2013 kamen, leben inzwischen in Privatwohnungen oder Häusern.
Laut Statistischem Bundesamt lebten 2018 rund 215.000 Geflüchtete in deutschen Sammelunterkünften. Grundlage der Kurzanalyse ist eine Befragung von Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland kamen und hier einen Asylantrag gestellt haben. Auch andere Haushaltsmitglieder wurden befragt. Ob das Asylverfahren bereits abgeschlossen ist oder wie es ausgegangen ist spielte dabei keine Rolle.
Zwar sei die Zahl derer, die in Privatwohnungen leben, gestiegen – dennoch sei anzunehmen, dass ein Umzug von einer Gemeinschafts- in eine Privatunterkunft „für Geflüchtete nicht einfach“ sei. Grund seien rechtliche und bürokratische Hürden sowie Diskriminierungserfahrungen oder Informationsdefizite.
Die positive Entwicklung erklären die Forscher*innen zum einen durch „fortschreitende Integration“, aber auch dadurch, dass weniger Geflüchteter nach Deutschland kommen. Neuankömmlinge werden in Deutschland zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht.
Unterschiedlich frei
Seit 2016 gelten zudem verschärfte Auflagen zur Wohnortwahl: Auch für anerkannte Geflüchtete gilt seither, dass sie bis zu drei Jahre in dem Bundesland bleiben müssen, dem ihr Asylverfahren zugeordnet wurde. Die Länder können zusätzliche Einschränkungen etwa auf bestimmte Orte vornehmen – wovon unter anderem Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen Gebrauch machen.
Wie schon 2016 gaben 34 Prozent der Befragten an, bei der Wohnsitzwahl an ein bestimmtes Bundesland gebunden zu sein. 38 Prozent müssen ihren Wohnort an einem bestimmten Ort in Deutschland nehmen, sieben Prozent weniger als noch 2016. Diese Menschen, darunter vor allem Geduldete, lebten 2018 sogar seltener in einer privaten Unterkunft als noch 2017 – ihr Anteil sank von 35 auf 30 Prozent.
Geflüchteten sei eine freie Wohnsitzwahl „grundsätzlich sehr wichtig.“ Die Präferenz für ländliche Regionen ist dabei in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen, vor allem bei Menschen, die bereits in solchen Regionen leben. Die Forscher*innen gehen davon aus, dass Menschen nach Auslaufen der Wohnsitzbeschränkungen vermehrt in Städte ziehen.
„Schutzsuchenden geht es in Privatunterkünften deutlich besser“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der taz. Die „Massenlager“ seien „Instrumente der Abschreckung, die eine desintegrative Wirkung haben.“ Zuletzt hätte die Coronapandemie gezeigt, dass dort das Ansteckungsrisiko ungleich höher sei. „Die Bamf-Studie bestätigt die Forderung der in der Flüchtlingsarbeit Tätigen: Auflösung der Sammellager und Integration von Anfang an“, so Burkhardt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen