Neue Staffel „Black Mirror“ auf Netflix: Dämonen streamen
Dystopie reiht sich auch in der sechsten Staffel „Black Mirror“ an Dystopie. Die Botschaft dahinter: So geht es nicht weiter.
Die fünfte Staffel der dystopischen Serie „Black Mirror“ (von nun sechs insgesamt) kam im Juni 2019 auf Netflix raus. Seitdem haben wir die Covid-19-Pandemie hinter uns gebracht, eine Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands mit mindestens 180 Toten, über 7.000 seit 2020 auf der Flucht übers Mittelmeer ertrunkene Menschen, Waldbrände in Kanada, deren Schwaden inzwischen sogar in Europa ankommen – die Liste des Horrors, für den wir Menschen ganz allein verantwortlich sind, ließe sich unnatürlich ausweiten.
Brauchen wir also überhaupt noch schaurige Episoden über die Gefahren der technischen Entwicklung, ach was, über die hausgemachte Weltvernichtung? Aber klar doch: Noch wenn der alles zerstörende Komet auf uns zurast oder wir die letzte Biene beim torkelnden Verenden beobachten, wird es uns nach Geschichten verlangen, die uns den Grusel als etwas letztlich außer uns Beheimatetes ans Herdfeuer zaubern. Denn die Innovationskraft des Genres besteht nach Freud darin, immer „neue Möglichkeiten des unheimlichen Gefühls“ zu entdecken.
Die aktuelle „Black Mirror“-Staffel hat fünf Episoden, von denen ich eine großartig fand, eine sehr gut und die drei anderen mau. Die beiden gelungenen Folgen rahmen das Ganze: Folge 1, „Joan Is Awful“, beschäftigt sich reichlich autoreferenziell mit den Möglichkeiten, (Streaming-)Angebote immer weiter zu individualisieren, was sich klarerweise als Albtraum entpuppt, nach dem Motto „Protect me from what I want“.
Die Ära Thatcher
Mit Annie Murphy und Salma Hayek ist hier wohl am meisten Prominenz aufgefahren. Folge 5, „Dämon 79“, ist in der Auseinandersetzung mit der beginnenden Ära Thatcher politisch am schärfsten.
Wenn in letzter Zeit mal wieder vom Globalen Süden die Rede ist und warum der nicht alles so macht, wie wir das vielleicht gern hätten – bitteschön: Die Geschichte um die unglückliche Schuhverkäuferin Nida (Anjana Vasan), die einen Dämon beschwören muss, um dem niederschmetternd-rassistischen englischen Alltag zu entkommen, liefert reichlich Material. Beide Folgen sagen, dass wir als normale brave Bürger diese Welt nicht retten werden. Das ist noch kein Aufruf zur Revolution. Aber eine Ansage ist es schon.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!