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Die Incel-Meute auf der Jagd nach Macht

Die chilenische Serie „La Jauría“ besticht mit ruhigen Bildern und aufwühlender Aktualität: Hass im Netz, Gewalt gegen Frauen und Machtmissbrauch an Schulen

Die Stimmung an einer katholischen Privatschule in Santiago ist aufgeheizt. Die Jugendlichen besetzen ihre Schule und klagen Schaupiel­lehrer Ossandón an Foto: arte

Von Sophia Zessnik

„Die männliche Natur ist gewalttätig, territorial und dominant“, erscheint in grünen Buchstaben auf einem Computerbildschirm. So beginnt das „Spiel des Wolfes“, das den Verlauf der chilenischen Produktion „La Jauría“ (auf deutsch: „Die Meute“) bestimmt. In acht Folgen arbeitet sich die Serie der Produzentenbrüder Juan de Dios und Pablo Larraín und der Regisseurin Lucía Puenzo an den Themen Machtmissbrauch, Gewalt gegen Frauen und Hass im Netz ab.

An einer katholischen Privatschule in Santiago de Chile werden Missbrauchsvorwürfe gegenüber dem Schauspielerlehrer Ossandón (Marcelo Alonso) laut. Einzeln filmt er Schülerinnen, erteilt den Mädchen Anweisungen, gibt ihnen Posen vor und animiert sie, lustvolles Stöhnen zu imitieren. Das Unwohlsein ist den Jugendlichen anzusehen, doch keine von ihnen traut sich den Instruktionen des Lehrers zu widersprechen. Als Blanca Ibarra (Antonia Giesen) doch den Mut findet und die Vorfälle bei der Schulleitung meldet, wird ihre Beschwerde abgeschmettert.

Die Proteste, die daraufhin von den Schülerinnen inszeniert werden und den Unterricht lahmlegen, erinnern an die durch eine Performance des feministischen Kollektivs „Lastesis“ entbrannten Demonstrationen in Chiles Hauptstadt: Tausende skandierten im Oktober 2019 „El violador eres tu!“ (Der Vergewaltiger bist du!), demonstrierten gegen repressive Maßnahmen der chilenischen Regierung sowie die andauernde Gewalt gegen Frauen. Signifikant für die Proteste waren rote und pinke Sturmhauben, die auch bei den Schülerinnen in „La Jauría“ Gebrauch finden.

Eine weitere Inspiration dürfte den Dreh­buch­au­to­r*in­nen ein Fall aus dem Jahr 2016 gewesen sein, bei dem eine 18-Jährige im spanischen Pamplona von einer Gruppe Männer vergewaltigt wurde. Die Männer filmten die Tat und teilten das Video später in einer Whatsapp-Gruppe mit dem Namen „La Manada“ (dt.: Das Wolfsrudel). In „La Jauría“ nennt sich die Gruppe, die Blanca vergewaltigt, „Meute“. Sie folgt dabei den Anweisungen eines Onlinespiels, dessen Anführer sich „der Wolf“ nennt. Er führt die Spieler per Zufallsprinzip zusammen. Mit wenig subtilen Botschaften über die Gefahren, die vom weiblichen Geschlecht ausgehen würden, und eine vermeintlich natürliche patriarchale Weltordnung, die es wiederherzustellen gelte, stachelt der Wolf seine Jünger an, Frauen psychisch wie physisch zu missbrauchen.

Der „Wolf“ stachelt seine Jünger an Frauen zu missbrauchen – psychisch und physisch

Die Ma­che­r*in­nen der Serie ziehen damit eine Linie zur Incel-Culture, deren Anhänger – unfreiwillig zölibatär lebende Männer – sich im Netz zusammenfinden, um Misogynie und Hetze zu verbreiten. Wie real dieses Problem auch in Deutschland ist, zeigt unter anderem das Tatvideo des Halle-Attentäters Stephan B., in dem er dem Feminismus eine Mitschuld am vermeintlichen Niedergang der Gesellschaft gibt.

„La Jauría“ verknüpft das Incel-Phänomen mit einem weiteren Kriminalfall: Nach der Vergewaltigung verschwindet Blanca spurlos. Die Kommissarinnen Olivia Fernández, Carla Farías und Elisa Murillo, – sehr stark gespielt von Antonia Zegers, María Gracia Omegna und Daniela Vega – setzen alles daran, das Mädchen zu finden, und geraten dabei selbst ins Visier der Frauenhasser.

In wunderbar ruhigen Bildern und blassen Farben, wie man sie schon von den Brüdern Larraín aus „El Club“ kennt, sorgt die Serie für Spannung bis zur letzten Minute. Dank vielschichtiger Frauenfiguren und des aktuellen Themenbezugs verwundert es nicht, dass „La Jauría“ vom Unterhaltungsmagazin Variety zu einer der besten Serien 2020 gekürt wurde.

„La Jauría“, zu sehen ab 24. 6. auf Arte

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