Neue Sanktionen gegen Belarus: EU-Luftraum dicht
Die EU-Staaten antworten auf die erzwungene Landung eines Flugzeugs in Minsk. Sie einigen sich auf Flug- und Landeverbot gegen belarussische Airlines.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, den Druck auf die Regierung in Minsk bis auf Weiteres aufrechtzuerhalten. In der EU stehe schon seit Längerem ein drei Milliarden Euro schweres Investitions- und Wirtschaftspaket für das Land bereit, sagte sie weiter. Dieses bleibe aber „solange eingefroren (…), bis Weißrussland demokratisch wird“.
„Wir tolerieren keine Versuche, russisches Roulette mit dem Leben unschuldiger Zivilisten zu spielen“, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel im Anschluss an die Gipfelberatungen in der Nacht zum Dienstag. Die Staats- und Regierungschefs hätten „zusätzliche Sanktionen gegen Einzelpersonen beschlossen, die an dieser Entführung beteiligt waren“, sagte von der Leyen. Auch Unternehmen, „die dieses Regime finanzieren“, sollten sanktioniert werden können.
Die Fluggesellschaften Lufthansa, SAS und AirBaltic kündigten an, Belarus künftig nicht mehr zu überfliegen. Litauen, wohin die Ryanair-Maschine am Sonntag unterwegs war, verbietet bereits ab Dienstag alle Starts und Landungen von Maschinen, die über belarussischen Luftraum fliegen.
Ukraine ordnet Stopp von Direktflügen nach Belarus an
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ordnete einen Stopp von Direktflügen von und nach Belarus an. Ukrainische Flugzeuge würden zudem nicht mehr durch belarussischen Luftraum fliegen, teilte die Präsidentschaft in Kiew mit. Das Verbot betrifft vor allem Reisen zwischen der Ukraine und Russland, bei denen viele Passagiere einen Zwischenstopp in Minsk einlegen, weil es seit 2015 keine Direktverbindungen mehr gibt.
Belarus hatte am Sonntag eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius unter dem Vorwand einer Bombendrohung und mit einem Kampfjet zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. Dort wurden der in Polen und Litauen im Exil lebende Oppositionelle Roman Protasewitsch und seine aus Russland stammende Freundin festgenommen.
Der EU-Gipfel verurteilte das Vorgehen „auf das Schärfste“ und verlangte die „sofortige Freilassung“ von Protasewitsch und seiner Partnerin Sofia Sapega. Die internationale Zivilluftfahrtorganiation ICAO riefen die Staats- und Regierungschefs auf, „diesen beispiellosen und inakzeptablen Vorfall dringend zu untersuchen“. Die ICAO hat für Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung einberufen.
Belarus hatte die erzwungene Landung mit einer Bombendrohung gegen das Flugzeug durch die radikalislamische Hamas begründet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte diese Erklärung „vollkommen unglaubwürdig“. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach nach den Gipfelbeschlüssen von einer „einmütigen und klaren Antwort (…) auf das inakzeptable Vorgehen der Führung von Belarus“.
Auf Vorwurf stehen bis zu 15 Jahre Haft
Die Festnahme Protasewitschs haben die belarussischen Behörden mittlerweile bestätigt. Das Staatsfernsehen veröffentlichte am Montag ein Video, in dem der Journalist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gesteht. „Ich werde weiter mit den Ermittlern zusammenarbeiten und gestehe, Massenproteste in der Stadt Minsk organisiert zu haben“, sagt der 26-Jährige in der Aufnahme.
Protasewitsch war früher Chefredakteur des oppositionellen Telegram-Nachrichtenkanals Nexta. Über Nexta waren nach der von massiven Betrugsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl in Belarus im vergangenen August hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden. Protasewitsch wird vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben, worauf in Belarus bis zu 15 Jahre Haft stehen.
Wegen der Geschehnisse rund um die Präsidentenwahl und des massiven Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten sind bereits EU-Sanktionen gegen rund 90 Verantwortliche in Belarus in Kraft, auch gegen den autoritär regierenden Lukaschenko. Im Dezember wurden auch Sanktionen gegen sieben staatsnahe Unternehmen verhängt. Ein weiteres Sanktionspaket gegen rund 40 weitere Belarussen war bereits für Juni geplant.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?