Neue Rekorde für den DAX: Aufgepumpter Ballon
Die steigenden Kurse in der Coronakrise liegen nicht nur an Spekulanten, die für 2021 einen Aufschwung erwarten. Sondern auch an der Aktienblase.
Der deutsche Aktienindex DAX feiert neue Rekorde: Zum Jahresende hat er erstmals die Marke von 13.800 Punkten übersprungen. Diese Hausse mag etwas seltsam anmuten, denn die Realwirtschaft befindet sich bekanntlich in einer schweren Coronakrise. Wie passt das zusammen?
Doch was wie ein Gegensatz aussieht, ist keiner. Die Anleger interessieren sich nicht für die Gegenwart – sondern die Zukunft. An den Börsen werden Erwartungen gehandelt. Gedanklich befinden sich die Spekulanten längst im Jahr 2021, in den wonnigen Zeiten, wenn alle geimpft sind und die Coronakrise nur noch ferne Erinnerung ist.
Die Ökonomen erwarten, dass die deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr um etwa 5,3 Prozent wächst – nachdem sie dieses Jahr um minus 5,1 Prozent eingebrochen ist. Diesen künftigen Aufschwung preisen die Börsianer jetzt ein. Sie freuen sich auf die Gewinne von morgen und verdrängen die Verluste von gestern. Das ist rational.
Allerdings kann dieses normale Börsengeschehen nur einen Teil der Kursgewinne erklären. Zugleich ist offensichtlich, dass sich eine Aktienblase aufpumpt, wie eine kleine Rechnung zeigt: Selbst wenn die Wirtschaft im nächsten Jahr um 5,3 Prozent wachsen sollte, wird die Wirtschaftsleistung Ende 2021 niedriger liegen als Ende 2019. Corona bedeutet also zwei verlorene Jahre. Doch diese Tatsache wird von den Börsianern munter ignoriert – sonst wären ja keine neuen Höchststände beim DAX zu verzeichnen.
Die Aktienblase pumpt sich seit Jahrzehnten auf
Die Aktienblase ist kein neues Phänomen, sondern pumpt sich seit Jahrzehnten auf. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich der DAX glatt verdoppelt, doch die Realwirtschaft ist in dieser Zeit nicht etwa um 100 Prozent gewachsen, sondern um ganze 10 Prozent. Die Börsen haben mit der echten Welt nichts mehr zu tun.
Börsenkurse aufzupumpen ist nämlich ziemlich einfach. Es ist nur relativ wenig zusätzliches Kapital nötig, um den DAX nach oben zu treiben, weil es zu einem ewigen Kreislauf des Geldes kommt. Der Zusammenhang ist schlicht: Wenn jemand eine Aktie kaufen will, muss ein anderer sie verkaufen. Der Neubesitzer wäre zwar sein Geld los – aber die entsprechende Summe wäre nun beim früheren Eigentümer der Aktie gelandet, der sich jetzt überlegen muss, wie er sein Geld neu anlegt. Bittere Ironie: Wahrscheinlich würde der ratlose Ex-Aktienbesitzer wieder Aktien erwerben, weil sie ja ständig an „Wert“ gewinnen. Die Spekulation nährt sich selbst.
Ohne staatliche Rettungspakete wertlos
Gestresste Finanzanleger klagen gern, dass sie nur in Aktien investieren würden, weil es auf den Sparbüchern keine Zinsen mehr gebe. Den Schuldigen haben sie auch schon ausgemacht: den Staat. Die Europäische Zentralbank (EZB) drücke die Zinsen nach unten, damit sich die Euroländer hemmungslos verschulden könnten.
Doch so einfach ist es nicht. Die Ereignisse im März sollten selbstgerechten Aktionären zu denken geben: Als das Coronavirus nach Europa übersprang, brach der DAX um fast 40 Prozent ein und wäre weiter ins Bodenlose abgestürzt. Der Index erholte sich nur, weil die Bundesregierung ankündigte, dass sie Rettungspakete auflegt. 500 Milliarden Euro dürfte die Coronakrise kosten – und ohne dieses staatliche Geld wären die deutschen Aktien wertlos.Aktionäre glauben gern, mit ihren Papieren hätten sie sich auf eine Art einsame Insel gerettet. Doch tatsächlich handelt es sich eher um einen allzu stark aufgepumpten Luftballon, der jederzeit wegwehen kann – wenn der Staat ihn nicht fest verankert.
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