piwik no script img

Neue Regierung und TransparenzLieber günstige Mieten als Stasi-Methoden

Die neue Regierung plant Massenüberwachung, schwächeren Datenschutz, verpflichtende digitale Akten. Langsam wird's eng beim Thema Sicherheit.

Nach den rauen Mengen an privaten Daten in den Pa­ti­en­t*in­nen­ak­ten würde sich die Stasi die Finger lecken Foto: Bernd Wüstneck/dpa

S eit 35 Jahren lebe ich in einer parlamentarischen Demokratie und musste in dieser Zeit keine Angst vor den jeweils Regierenden haben. Ich kann sorgenfrei erzählen, denken, sein was ich will. Im Zweifel hilft anwaltlicher Beistand. Feine Sache, so ein Rechtsstaat.

Ich habe bisher trotzdem keine der Bundesregierungen gemocht oder mitgewählt. Das hat damit zu tun, dass es einfach zu viele Menschen gibt, die sich ihrer zumindest theoretischen Waffengleichheit mit der Macht nicht halb so sicher sein können wie ich.

Menschen, deren Sicherheit und Würde recht zuverlässig als verzichtbarer Ballast gehandelt werden, von jenen, die sich zu Höherem berufen fühlen. Das wurde auch während des letzten Wahlkampfs beim allgemeinen Panik­lauf nach rechtsaußen wieder einmal offenbar.

Die kümmerlichen Reste zweier Volksparteien ringen nun um eine Idee für die nächsten zwei Jahre oder wie lange es halt dauert, bis die eine Partei sich daran machen wird, zusammen mit den Rechtsradikalen alles komplett zugrunde zu richten. Was die vermeintliche demokratische Mitte laut ersten bekannt werdenden Verhandlungsergebnissen da gerade entwickelt, stimmt aber schon heute nicht sonderlich hoffnungsvoll.

Massenüberwachung

Klar, der Vertrag ist noch nicht unterschrieben und so mancher Blütentraum hat die politischen Flitterwochen einer Koalition nicht überlebt. Was die kursierenden Papiere jedoch offenbaren, sind eben grundlegende Absichten und Einstellungen. Das ist die Richtung, da will man hin. Anlasslose Massenüberwachung per automatisierter Gesichtserkennung und Werkzeuge für KI-gestützte biometrische Rasterfahndung. Selbst noch die wiederholt als verfassungswidrig eingestufte Vorratsdatenspeicherung steht auf dem Wunschzettel.

Ein bizarres Highlight sind die Pläne für die elektronische Patientenakte. Die extremen Sicherheitslücken dieses Projektes sind vor allem durch die verdienstvolle Arbeit der unabhängigen Ex­pert:in­nen Bianca Kastl und Martin Tschirsich bekannt geworden. Dass die Testphase der Akte trotz allem angelaufen ist, ist schon ein Skandal und offenbart das völlige Versagen von Politik und demokratischer Öffentlichkeit.

Doch damit nicht genug, Union und SPD wollen die Teilnahme an dieser technischen Vollkatastrophe „verpflichtend“ und „sanktionsbewehrt“ machen. Nebenbei: Was ist eigentlich aus der Idee einer zentralen Datenbank für Menschen mit psychischen Erkrankungen geworden? Ergänzend zur Repressions­offensive sollen übrigens der Datenschutzbeauftragte des Bundes geschwächt und das Informationsfreiheitsgesetz gleich ganz abgeschafft werden.

Und schwupps ist nicht der Staat transparent, sondern die Bürger:innen. Keine Ahnung, ich hätte aus der DDR ja eher die günstigen Mieten als die Stasi übernommen. Aber okay, ich will gerne glauben, dass zumindest ich vor der nächsten Bundesregierung keine Angst haben muss. Bei der übernächsten aber bin ich mir wirklich nicht mehr sicher. Und du so?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • "Die kümmerlichen Reste zweier Volksparteien ringen nun um eine Idee für die nächsten zwei Jahre oder wie lange es halt dauert, bis die eine Partei sich daran machen wird, zusammen mit den Rechtsradikalen alles komplett zugrunde zu richten. "

    Der Verdruss der Menschen gegenüber "Warnungen" hat sich lange Abgenutzt. Denn schon schwingt ein "die Union wird doch in wenigen Jahren mit der AFD zusammen arbeiten auf Bundesebene" mit.



    Es hilft aber nichts dem schon vorzugreifen, weil wenn des doch eventuell dazu kommen wird, ist das Schwert nämlich Stumpf, weil die sich dann sagen "Die erwarten das doch sowieso, dementsprechend können wir es auch machen."

  • Ich finde die elektronische Patientenakte gut und es wird Zeit, dass sie endlich kommt. Sie sollte natürlich sicher funktionieren.

    • @NinaZ.:

      Der letzte Satz ist wichtig. Dazu mal gucken, was beim Chaos Computer Club so herausgefunden wurde und man sieht, das die Lücken eklatant sind. Und das nicht erst seit kurzem.

      youtu.be/sWKzUJTco...i=iBev2xgOd9AInfrH

      • @esgibtnureinengott:

        Das Problem der ePA ist nicht die IT oder Software, sondern menschliches Fehlverhalten, wie die Beispiele des CCC gut belegen.

  • Das sind Stasi-Methoden für den Autor? Bei aller berechtigten Kritik, aber das ist eine blanke Verhöhnung von Stasi-Opfern, bis der Nachweis eines Foltergefängnisses für EPA Verweigerer gelingt.



    Man tut der Sache keinen Gefallen, wenn. Man herumtrumpt.