Neue Regierung in Spanien: Sánchez fast am Ziel

Sozialist Sánchez steht vor der Bildung einer linken Koalition. Die Kirche wendet sich dagegen – ein Bischof ruft zum „Gebet für Spanien“ auf.

Ein Mann geht an den Sitzbänken eines Plenarsaals vorbei

Spaniens Interims-Premier Pedro Sánchez am Sonntag – auf dem Weg zur Koalition Foto: ap

MADRID taz | Der spanische Sozialist Pedro Sánchez schickt sich an, Geschichte zu schreiben. Er wird voraussichtlich der ersten Koalitionsregierung der mittlerweile über 40 Jahre dauernden Nach-Franco-Demokratie vorstehen. Am Samstag und Sonntag verteidigte er im Parlament sein Projekt einer „fortschrittlichen Koalition“ seiner sozialistischen PSOE mit der linksalternativen Unidas Podemos (UP) von Pablo Iglesias. UP wird aller Voraussicht nach mit vier Ministern im Kabinett vertreten sein.

Zwar erreichte Sánchez bei einer ersten Abstimmung am frühen Sonntagnachmittag nur 166 Stimmen – bei 165 Gegenstimmen und 18 Enthaltungen. Damit verfehlte er die absolute Mehrheit von 176 der 350 Abgeordneten im spanischen Parlament. Eine UP-Abgeordnete war nicht erschienen.

Am Dienstag bei einem zweiten Wahlgang braucht er nur mehr Ja- als Nein-Stimmen, also eine relative Mehrheit. Die 13 Abgeordneten der katalanischen Republikanischen Linken (ERC) sowie die fünf der linksnationalistischen baskischen EH Bildu werden sich einmal mehr enthalten. Die Rechnung für das Duo Sánchez/Iglesias geht somit knapp auf.

Katalanen enthalten sich

Spanien hat dann nach zwei Neuwahlen im vergangenen Jahr wieder eine reguläre Exekutive. Verhandlungsgeschick machte dies möglich: PSOE und UP verfügen zusammen zwar nur über 155 der 350 Abgeordnete. Doch Sánchez einte mehrere kleinere Regionalparteien, etwa aus dem Baskenland, Galicien und Valencia.

Die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter von ERC enthalten sich, nachdem Sánchez mit ihnen einen „Dialogplan“ seiner Regierung mit der Kataloniens aushandelte. Damit bemühte er sich, eine politische Lösung für die verfahrene Situation in der Region im Nordosten Spaniens nach einem Unabhängigkeitsreferendum 2017 sowie der Verurteilung von Aktivisten und Politikern zu hohen Haftstrafen wegen „Aufruhr“ zu finden. „Wenn wir den Konflikt in dieser Legislatur nicht lösen, werden wir ihn zumindest auf einen guten Weg bringen“, beteuerte Sánchez. Einmal mehr schloss er aber ein Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien nach schottischem Vorbild aus.

Die Koalitionsvereinbarung zwischen PSOE und UP sieht vor allem soziale Maßnahmen vor, die einen Teil der Kürzungspolitik der Krisenjahre zurücknehmen sollen. Unter anderem soll das Bildungssystem gestärkt und der Wohnungsmarkt beruhigt werden. Die Koalition verbinde „die Erfahrung der PSOE mit dem Mut und der Frische von Podemos“ und werde so „neue Rechte für die Bürger garantieren“, beteuerte Juniorpartner Iglesias von UP, deren Handschrift viele der angekündigte Maßnahmen tragen.

„Spanien wird nicht auseinanderbrechen; die Verfassung wird nicht gebrochen. Gebrochen wird einzig die Blockade einer fortschrittlichen Regierung, wie sie die Spanier demokratisch gewählt haben“, eröffnete Sánchez seine Rede am Samstag und ernte dafür erste lautstarke Missfallenskundgebungen der Abgeordneten von den rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) über die konservative Partido Popular (PP) bis hin zur rechtsextremen VOX.

Pablo Casado, Chef der Konservativen

„Sie stellen einen Albtraum von Regierung vor“

„Sie stellen einen Albtraum von Regierung vor“, erklärte PP-Chef Pablo Casado. Sánchez stütze sich auf „all diejenigen, die Spanien zerstören wollen“. Die PP werde deswegen „einen Damm bilden, um Spanien und die Verfassung zu schützen“. Er drohte Sánchez gar mit richterlichen Schritten, sollte er nicht genügend Härte gegenüber Katalonien walten lassen. Und Santiago Abascal (VOX) kündigte „eine Belagerung der verräterischen Regierung per Gericht und auf den Straßen“ an.

Eine Kostprobe davon bot die Rechte parallel zum Auftakt der Parlamentsdebatte. Sie mobilisierte für Samstag 15.000 Menschen zu einer Demonstration in Madrid. Die Teilnehmer schwenkten die spanische Fahne und riefen unter anderem „Sánchez ins Gefängnis“. Der ­konservative Bürgermeister der Hauptstadt Madrid sowie seine rechtsliberale Stellvertreterin nahmen an dem nicht genehmigten Aufmarsch teil.

Spaniens Rechte hat bei ihrem harten Kurs gegen die linke Koalition mächtige Verbündete. Sowohl der Unternehmerverband CEOE als auch die katholische Amtskirche Spaniens sprachen sich gegen die neue Regierung aus. Bischof Antonio Cañizares in ­Valencia rief gar „zum Gebet für Spanien“.

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