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Neue Regierung in RusslandDie Altgedienten bleiben

Außenminister Sergei Lawrow wird dem nächsten Kabinett in Moskau angehören. Genauso wie Verteidigungsminister Sergei Schoigu.

Offensichtlich auch weiter unverzichtbar: die Minister Sergei Schoigu (l.) und Sergei Lawrow Foto: ap

Moskau taz | Bei der Kabinettsumbildung ließ sich Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstag etwas mehr Zeit als beim geplanten Staatsumbau, den er am vergangenen Mittwoch in seiner Rede zur Lage der Nation ankündigte. Russland hat mit Mischustinin seit Donnerstag einen neuen Premier, seit Dienstagabend auch eine neue Regierung.

Von den 21 Ministern gehörten neun bereits dem vorangegangenen Kabinett an. Wladimir Putin schien zufrieden: „Ausgewogen und deutlich erneuert“, meinte er bei der kurzen Vorstellung der Regierung.

Zu den bekannten Gesichtern, die bleiben müssen, zählen Außenminister Sergei Lawrow und Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Lawrow steht schon seit anderthalb Jahrzehnten in den Diensten des Kremlchefs. Beide sind vorerst nicht abkömmlich, solange der Kreml eine aggressive Linie in der Außenpolitik verfolgt.

Auch Innenminister Wladimir Kolokolzew, der für Energie zuständige Alexander Nowak und Finanzminister Anton Siluanow behalten ihre Posten.

Verwendung ausgedienter Mitarbeiter

Der langjährige Kulturminister Wladimir Medinskij wird als Berater des Präsidenten in die Präsidialadministration wechseln. Putin kümmert sich um die weitere Verwendung ausgedienter Mitarbeiter.

Für die Ministerin im Ressort „Aufklärung“, Olga Wassiljewa, scheint noch kein Posten gefunden zu sein. Sie betreute die ideologische Rückbindung an Tradition und Kirche mit besonderer Verve und verließ das Kabinett. Auch Witali Mutko, der sich als Sportminister während der Olympischen Spiele in Sotschi einen zweifelhaften Ruf erworben hatte, wird der neuen Regierung nicht mehr angehören.

Die Auswahl der Kader scheint überdies dem Motiv zu folgen, alle belastenden Figuren auszutauschen, die dem Image Wladimir Putins weiter schaden könnten. Putins Zuspruch sank in den letzten beiden Jahren deutlich. Regierung und Krempartei Einiges Russland leiden seit der Anhebung de Rentenalters im Sommer 2018 an schwindendem Vertrauen.

Dies ist auch ein Grund, warum der ehemalige Premier Dmitri Medwedjew aus der Schusslinie genommen wurde. Er wechselte auf den neugeschaffenen Posten des stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsrats.

Bislang viele Spekulationen

Es wird gemunkelt, dass Medwedjew nach einer Phase der öffentlichen Läuterung noch für eine Funktion im Umfeld des Kremlchefs vorgesehen sein könnte. Wie alles seit Ankündigung des Präsidenten, einen Umbau im Staat vorzunehmen, werden Details nicht genannt, sondern bislang noch Spekulationen überlassen.

Eigentlich lässt sich Wladimir Putin mit weitreichenden Entscheidungen genügend Zeit. In diesem Fall überstürzen sich die Ereignisse. „Die Schnelligkeit zeugt davon, dass die Autoren der Veränderungen am Staatsaufbau nicht überzeugt sind und eine endgültige Entscheidung noch fehlt“, meint der Oppositionelle Andrej Netschajew.

Eile zeigt sich auch darin, dass Putin schon zu Wochenbeginn dutzende Seiten eines Wunschkatalogs von Veränderungen der Duma vorlegte. Bereits am Donnerstag soll darüber im Parlament in erster Lesung abgestimmt werden und bis April sollen alle Entscheidungen getroffen sein.

Danach will Putin die Bürger befragen, sagte er. Für Verwunderung sorgte jedoch schon, dass die Arbeitsgruppe zum Staatsaufbau – ein 75-köpfiges Gremium – schon am Sonntag einen langen Änderungskatalog vorlegen konnte. Tatsächlich ist die Gruppe der Honoratioren wohl gar nicht ernsthaft befragt worden.

Einige Oppositionelle vergleichen daher die hastige Operation mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014, die im Eilverfahren im März 2014 Russland angeschlossen wurde. Putins Pressesprecher Dmitri Peskow begründete das Tempo der Beschlüsse: Vorhaben des Präsidenten seien einfach von vorrangiger Bedeutung.

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