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Neue „Nationale Sicherheitsstrategie“Konkret nur bei der Aufrüstung

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Die neue Sicherheitsstrategie spannt den großen Bogen bis zur Entwicklungszusammenarbeit. Ausgerechnet dort bleibt sie viel zu vage.

Foto: Fabrizio Bensch/reuters

E s ist schon eine große Kunst, auf möglichst vielen Seiten die meisten Ansätze im Unklaren zu lassen und doch vom großen Wurf zu sprechen. Bestes Beispiel ist derzeit die mit Spannung erwartete Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. In den vergangenen Monaten gab es viel Streit und Getöse um das Papier, Zoff um Kompetenzen und neue Gremien, die von dem ein oder anderen Ampelmitglied für nützlich oder unnütz befunden wurden. Oder um die Deutungshoheit der deutschen außenpolitischen Haltung etwa zu China. Herausgekommen ist ein Papier, dass sich größtenteils liest wie eine Zusammenschau einzelner Initiativen der Ministerien, die ohnehin bekannt sind.

Die Summe macht aber eindrücklich klar, wie viele Baustellen das Land beim Thema Sicherheit hat. Um gegen Bedrohungen von außen vorzugehen, braucht es einen starken Militärapparat. Zugleich sagt man Attacken aus dem Cyberraum den Kampf an, will gegen Desinformation vorgehen, den Katastrophenschutz stärken, kritische Infrastruktur schützen, Ernährungssicherheit, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit gewährleisten. Alles im Sinne der nationalen Sicherheit, heißt es. Das wird kostspielig sein.

Allerdings, einzig beim Thema Aufrüstung und besserer Ausstattung der Bundeswehr wird man konkreter. Der Konsens: Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung soll in die militärische Verteidigung fließen, und zwar schon ab kommenden Jahr. Es geht um ein Signal an die internationalen Partner, zu zeigen, dass Deutschland die erhoffte starke Rolle in der internationalen Sicherheitspolitik ausfüllen kann und will. Auch mit großem finanziellen Einsatz.

Wenig zu Entwicklungszusammenarbeit

Weniger euphorisch und bestimmt, stattdessen vage ist das Bekenntnis zu friedenssichernden Maßnahmen ohne militärisches Gerät. Zu Recht empören sich entwicklungspolitische Organisationen, dass Finanzzusagen oder die Kopplung von Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit an Verteidigungsausgaben nicht auftauchen. Dort blieb der Konsens aus. Ebenso beim Vorschlag, den Katastrophenschutz stärker auf die Bundesebene zu ziehen und damit die Länder in dieser Frage zu entlasten.

Natürlich ist ein Strategiepapier keine versteckte Verhandlung über Budget- und Haushaltsfragen. Aber die Stoßrichtung und damit eine starke Vorlage ist damit gemacht. Seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 ist die Welt eine andere, und die „Friedensdividende“, wie Finanzminister Lindner sie nannte, ist aufgebraucht. Die Glaubwürdigkeit der Sicherheitsstrategie wird sich an ihrer Umsetzung messen. Dazu gehört mehr, als Geld in Verteidigung und Aufrüstung zu pumpen.

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Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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10 Kommentare

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  • Frau Baerbock erklärt, mit der Strategie uns davor schützen wolle, beim Chatten von Chinesen ausspioniert zu werden. Dass EU-Kommissarin Ylva Johansson plant, in der EU eine Chatkontrolle nach chinesischem Vorbild noch vor der nächsten Europa-Wahl im kommenden Jahr einzuführen, wird lieber verschwiegen. Das ist mehr als unredlich.

  • Es ist halt eine Strategie. Kein Masterplan. Die konkrete Ausgestaltung soll nahnd der vorgelegt Ziele und Pfade erfolgen. Da die Welt dynamisch ist und immer schnellebiger wird, ist es auch gar nciht möglich, in den 6 Monaten Nachberarbeitungszeit etwas auszuarbeiten, das bis zur nächsten Aktualisierung (wann soll die eignetlich kommen? Wird sich ja vermutlich um Jahre handeln…) aktuell bleibt.

    Einzig UN, NATO, EU und Frankreich sind gesetzt und es wäre auch kontraproduktiv für die nationale Sicherheit, daran irgendwelche Zweifel aufkommen zu lassen. Und damit sind eben so Sachen wie das 2% Ziel auch schon fix.

    Und von Aufrüstung zu sprechen, wenn diese 2% mit Hängen und Würgen über das Sondervermögen - das nur dazu verwendet werden kann, Fehlstellen bei der buchmäßigen Ausrüstung zu stopfen - ist auch ein wenig euphemistisch.



    Zumal dem auch noch der Personalmangel im Wege steht – der übrigens eng mit dem allgemeinen Arbeitskräftemangel verbunden ist. Dazu habe ich dem Papier noch nichts gesehen, aber ich bin ja auch noch nicht durch. Ist ne Menge Holz.

  • ULRICH HAUSSMANN

    Ich wünschte, ich könnte.

    Aber während "wir" hier eine lange, ausgedehnte Friedensphase hatten, hatte nicht jede*r auf dem Rest der Welt diesen Luxus...

  • "Um gegen Bedrohungen von außen vorzugehen, braucht es einen starken Militärapparat."

    Um gegen die Bedrohungen von außen vorzugehen, braucht es in erster Linie eine sichere IT, bei der Putins Hacker nicht so einfach in den Bundestag gelangen, in der eine Bundeskanzlerin nicht so einfach am Smartphone abgehört werden kann, in der vertrauliche Unterlagen nicht so einfach von den USA, China, etc. eingesehen werden können, in der wichtigste Strukturen wie Strom- und Wasserwerke nicht einfach Remote abgeschaltet werden können und Krankenhäuser und Stadtverwaltungen stillgelegt und erpresst werden können.



    Der nächste Krieg ist ganz sicher auch ein Krieg der Daten, da hilft militärische Gerät alleine nicht mehr.



    Aber ich fürchte das hat man im Berliner Bundestagsmuseum, namentlich Parlament, immer noch nicht verstanden.

  • Ich erlaube mir die Frage: Wie ehrlich ist das Papier ? Wie steht es denn um die deutsch-französische Freundschaft, wo gegenüber den Anfängen der EU deutliche Risse eingetreten sind, weil weder Macron noch Scholz ernsthaft den Schulterschluß suchen, sondern sich eher belauern. Das Gleiche gilt für die EU. Ohne den Angriff Putins wäre die Einigkeit in der NATO, insbesondere im Verhältnis mit der Türkei auch nur ein rein taktisches Manövrieren. Welche Konsequenzen hat das Zusammenleben in der 'Atlantik-Brücke', wenn sich die ökonomisch Handelnden gegenseitig die Butter vom Brot nehmen, nur um selbst überleben zu können ? Und alles in einer Zeit, wo sich alle Beteiligten, nicht nur die vermeinlichen Bündnispartner eigentlich um ein Überleben auf diesem Planeten kümmern müsste ! Viel mehr als eine Fortsetzung des Status Quo kann ich nicht erkennen und diese 'Regierung' spielt dabei eine dramatische Rolle, zumindest von ihrem eigenen Anspruch, wie ernst Deutschland noch in der Welt genommen wird, sei dahin gestellt.... Was bleibt von Baerbocks Ambitionen ?

  • Als ich gestern den Bericht bei ARD in der Tagesschau sah, würde mir spei und übel.



    Man möchte Deutsche vor Spionage-Aktivitäten und Abhörmethoden durch China schützen. Hetzpropaganda und Falschinformationen von Russland.

    Und danach der klingende Abschluß, dies wurde mit den EU-Staaten und der USA abgestimmt.

    Kurze Anekdote, bei China DENKEN wir und es könnte so sein das China abhört. Bei den USA WISSEN wir und es ist immer noch das wir abgehört WERDEN.

    Ebenso bei den Propaganda und Falschinformationen, siehe des möglichen Angriffs auf Nordstream...

    Wie kann man nur solch eine Politik machen, den Amerikanern so sehr in den Popo zu kriechen. Wir sind nur noch die Lakaien und Vasallen der Amerikaner! Unglaublich...

    Deutschland nimmt keine Führungsrolle ein in der internationalen Sicherheitspolitik. Deutschland ist ein kleines Puzzle, warum es neue Bündnisstrukturen wie die BRICS-Staaten gibt! Keiner dieser Länder ist mehr bereit ihre Politik nach dem handeln und tun aus USA und dem "Westen" diktieren zu lassen. Na mal schauen ob das gut geht...

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Wenn die „Friedensdividende“ aufgebraucht ist, müssen wieder Kriegsgewinne her.

  • „… Es geht um ein Signal an die internationalen Partner, zu zeigen, dass Deutschland die erhoffte starke Rolle in der internationalen Sicherheitspolitik ausfüllen kann und will. Auch mit großem finanziellen Einsatz.“

    Wenn der Schuh mal nicht zu groß ist! Selbst ein Strategie-Papier ist bekanntlich geduldig.



    Wer soll Krieg, Ukraine-Aufbau mit u.a. deutschen dortigen Investitionden inkl. irrwitziger Sicherheitsgarantien à la Habeck, Klimawende usw. eigentlich alles bezahlen?



    Höchste Zeit, dass die politischen Beschlussfasser sich hier mal ganz ordentlich beteiligen, zum oberen Mittelstand gehören einige ja mindestens schon lange nicht mehr.



    Und großartiges Rumposaunen dient doch wohl eher als Bluff, sieht man erst auf Pflege-, Bildungsnotstand, Facharbeitermangel etc. innerhalb (!) Deutschlands.



    Kita-Plätze werden auch nur noch auf dem Papier „sicher garantiert“! Das sagt doch alles.

  • "... und die „Friedensdividende“, wie Finanzminister Lindner sie nannte, ist aufgebraucht."

    Nein. Die haben sich vor allem die Reichen unter den Nagel gerissen.

    • @tomás zerolo:

      .......weltweit, meinten Sie sicher.