Neue Miniserie „Bad Banks“: Unter dir die Stadt
Die Thriller-Miniserie „Bad Banks“ aus der Welt der Hochfinanz startet auf Arte. Sie ist zeitgemäßes Writers-Room-Fernsehen.
Echte italienische Camorristi haben Brian De Palmas „Scarface“ gesehen und sich anschließend Toni Montanas Protzvilla mit dem größten Whirlpool aller Zeiten nachgebaut. Könnte sein, vielleicht üben dann auch echte Investmentbanker Gordon Gekkos berüchtigte „Greed“-Ansprache aus „Wall Street“ zuhause vor dem Spiegel: „Greed is good. Greed is right. Greed works …“
Den Finanzarbeitern aus der mit „Berlinale 2018“ gelabelten sechsteiligen Miniserie „Bad Banks“ wäre das zuzutrauen. Sie kommen ausnahmslos aus der Klischeekiste und bedienen das durch die Finanzkrise gefestigte Feindbild: Die Chefs (Jean-Marc Barr, Tobias Moretti) erweisen sich als zynische, manipulative Arschlöcher; das Fußvolk rekrutiert sich aus neurotischen, soziopathischen Arschlöchern – die schon mal, es nennt sich „Katastrophenanleihe“, über ein Erdbeben in Kalifornien (Breaking News: „57 KILLED IN CA“) in Jubel ausbrechen.
Was die drei engsten Kollegen der im Mittelpunkt stehenden Jungbankerin – „Heldin“ möchte man sie nicht nennen – in ihrer knapp bemessenen Freizeit so tun: Eine ist eine notorische Stalkerin, einer spielt „Fight Club“, und einer schenkt seiner Freundin – kein Wunder, dass sie ihn bald danach bittet, ihre Nummer zu löschen – einen Thermomix, Symbol seiner sozialen Verwahrlosung.
Das Personal dieser merkwürdigen Parallelwelt spricht auch ständig in Metaphern, Gleichnissen, Parabeln: „Wie eine Krankheit ist jeder Crash schmerzhaft, stärkt aber sogleich das Immunsystem des Kapitalismus.“ Oder es spricht eher unakademisch Klartext. Ein – erfolgreiches – Verkaufsgespräch des Thermomix-Bankers hört sich so an: „I don’t need your fucking small money! I need big money! From guys with big balls! Do you know how we call you here? Mr. Tiny Testicles!“
„Bad Banks“, läuft zunächst auf Arte, Teile 1-4 Donnerstag, 20.15 Uhr; Teile 5 und 6 Freitag, 20.15 Uhr; dann im ZDF, Samstag, 21.45 Uhr, Sonntag, 22.00 Uhr und Montag, 22.15 Uhr, und schon vorab in den Mediatheken von Arte und ZDF.
Das übrigens gilt es unbedingt auf der Haben-Seite der Serie zu verbuchen: Bis zuletzt waren deutsche Produktionen darauf bedacht, noch das kleinste Fitzelchen Fremdsprachenauthentizität entweder zu vermeiden oder totzusynchronisieren. In „Bad Banks“ wird neben Deutsch auch fleißig Englisch, Französisch und, im Ernst, Luxemburgisch gesprochen. Die Finanzwelt ist ein internationales Pflaster, das hier so hochglänzend fotografiert ist (Kamera: Frank Lamm), dass dieses Frankfurt ohne weiteres für Midtown Manhattan durchgehen könnte: unter dir die Stadt. Die Bilder von den verzweifelt vor den nichts mehr ausspucken wollenden Geldautomaten Schlange stehenden Menschen kennt man hingegen aus Griechenland.
Finanzwelt als Kulisse
Wie konnte es nur soweit kommen? Eine ehrgeizige Jungbankerin (die bereits von François Ozon und Christian Petzold besetzte Paula Beer) wird willkürlich gefeuert, aber sofort von einer der – zynischen, manipulativen – Chefinnen (Désirée Nosbusch) in einen neuen Top-Job bei der Deutschen Bank (die hier Deutsche Global Invest heißt) protegiert.
Nichts ist umsonst. Sie soll heimlich Belege beschaffen für eine unsaubere Praxis: „Sie verkaufen ihren eigenen Schrott an sich selbst. Um die Bilanz zu stärken.“ Wer nun meint, in immerhin über fünf Stunden auch nur ein bisschen mehr als das in diesen zwei Sätzen kolportierte „Tagesschau“-Basiswissen zu erfahren, wird enttäuscht. Die Finanzwelt dient vor allem als Kulisse für die üblichen, Thriller-konformen Straftaten wie Nötigung, Körperverletzung, (versuchter) Mord. Und Bestechung (nicht eben originell: ein Maserati und eine Prostituierte für den Finanzbeamten). Oder anders gesagt: Die Aufdeckung der bösen Tricks der Finanzbranche bleibt – wie schon in Dieter Wedels Zweiteiler „Gier“ (2010) – Behauptung. Und am Ende gewinnen – natürlich, als hätte man es nicht geahnt – diejenigen unter den Bankern, die, ohne Rücksicht auf Sparer und Phrasen dreschende Politiker, auf den großen Crash wetten.
Apropos Dieter Wedel. Eine ganz neue Kritiker-Disziplin sieht vor, alle neuen Filme unter das „#MeToo“-Mikroskop zu legen. „Du wirst noch früh genug begreifen, wie dieses System von Männern dominiert wird,“ klärt die Chefin die Jungbankerin auf. Da hat die schon längst einem Studenten, der sie auf ein Praktikum in der Bank angesprochen hat, ihre Bedingungen genannt: „Klar. Wenn du mir die Muschi leckst.“
PS: Am 30.8.2016 hatte ich in dieser Zeitung angekündigt, künftig keine Filme des Regisseurs Christian Schwochow mehr zu besprechen. Nun ist es doch wieder passiert. Ich habe es – den Regisseur und (s)eine persönliche Handschrift – nämlich glatt übersehen. So sehr erscheint „Bad Banks“ als zeitgemäßes „Writers' Room“-Produkt („Headautor“: Oliver Kienle). Die ARD hat „Babylon Berlin“ – so nah wie mit „Bad Banks“ war das ZDF noch nie dran am internationalen Seriengeschehen.
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