Neue Kreislaufwirtschaftsstrategie: Push für Secondhand-Märkte
Unternehmen fordern, das Recht auf Reparatur schnell umzusetzen. Die Bundesregierung legt erst mal eine Strategie fürs große Ganze vor.
Recycling- und Sortierbetriebe, Abfallentsorger oder Start-ups, die gebrauchte Smartphones reparieren und verkaufen – sie alle warten seit Monaten auf die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) der Bundesregierung. Am Montag hat das Bundesumweltministerium den Entwurf der Strategie an die anderen Ressorts übermittelt. Im Herbst soll das Kabinett sie verabschieden. Mit der Strategie will die Bundesregierung den Rahmen für Gesetze vorgeben, um den Pro-Kopf-Verbrauch von Rohstoffen von derzeit 16 Tonnen auf 8 Tonnen im Jahr 2045 zu halbieren.
2030 – das ist in fünfeinhalb Jahren – sollen die Unternehmen in Deutschland doppelt so viele Sekundärrohstoffe – also durch Recycling gewonnene Kunststoffe oder Metalle – in ihren Produkten einsetzen wie 2020. Damit soll Europa unabhängiger von Rohstoffimporten und damit von Staaten wie Russland oder China werden. Außerdem sollen das Klima und die Biodiversität geschützt werden – denn weniger Primärrohstoff bedeutet zum Beispiel auch weniger Bergbau.
„Mit der Nationalen Kreislaufwirtschafsstrategie schaffen wir den Rahmen für innovative Lösungen der Kreislaufwirtschaft“, sagte Steffi Lemke bei Vorstellung der Strategie. Von einer gut funktionierenden Kreislaufwirtschaft profitierten nicht nur Umwelt und Klima. Sie mache auch die Wirtschaft krisensicherer, so Lemke.
Anja Siegesmund, Präsidentin des Bundesverbandes der deutschen Entsorgungsbranche (BDE) hatte jüngst kritisiert, dass die NKWS so lange auf sich warten ließ – und darauf aufmerksam gemacht, dass die Strategie selbst nur der erste Schritt sei, „um einen umfassenden zirkulären Ansatz in Deutschland zu etablieren“. Sie hatte gefordert, schnell konkrete, klare Regeln zu formulieren und dann auch umzusetzen. „Eine konsequente Circular Economy bringt mehr Wertschöpfung, neue Jobs, sichert die Rohstoffversorgung und schützt das Klima“, sagte Siegesmund. „Wir müssen das jetzt engagiert voranbringen.“
Wichtig: Der Zugang zu Ersatzteilen
Der Chef des Berliner Unternehmens Rebuy, Philipp Gattner, fordert ebenfalls die schnelle Umsetzung von europäischen Initiativen wie das Recht auf Reparatur oder die Ökodesign-Richtlinie. Rebuy repariert und verkauft gebrauchte Elektronik. In der Umsetzung in nationalem Recht würden Verbraucher für ihre Geräte längere Gewährleistungszeiten erhalten, die Hersteller etwa von Elektrogeräten würden verpflichtet, Ersatzteile länger anzubieten und leichter zugänglich zu machen. „Das sind alles wichtige Punkte und Verbesserungen“, sagt Gattner, „ein reparaturfreundliches Design, der sichere Zugang zu günstigen Ersatzeilen – das sind die drei wichtigsten Hebel, an denen Kreislaufwirtschaft ansetzen kann.“ Wichtig sei aber, dass die Vorhaben schnell auf nationaler Ebene umgesetzt würden, in ein bis zwei Jahren müssten die Regeln vorliegen.
Zudem verweist Gattner auf ein Problem, dass sich schwerlich mit neuen Gesetzen beheben lässt: Vor allem auf Internetplattformen – nicht nur – aus Fernost würden Elektrik- und Elektronikgeräte angeboten, die nicht einmal den Vorschriften der europäischen Produktsicherheit – erkennbar an dem CE-Siegel – genügen würden. Von Ökodesign ganz zu schweigen. „Diese Geräte sind für Reparaturen und den Wiederverkauf nicht geeignet“, so Gattner. Die EU und auch die deutschen Behörden müssten den Markt besser vor solchen Importen schützen.
Für ein anderes Problem suchen Bundesregierung und Unternehmen noch eine Lösung: Derzeit wird ein Großteil stillgelegter Altautos ins Ausland exportiert. Die meisten Gebrauchtwagen in EU-Länder, zwischen 7 und 9 Prozent aber auch ins Nicht-EU-Ausland, etwa nach Afrika. Nimmt die Zahl von Elektroautos zu, werden die Batterien nach Stilllegung der Fahrzeuge ins Ausland gebracht – mitsamt dem wertvollen Lithium, Mangan oder Kobalt. Die NKWS adressiere dieses Problem, biete aber noch keine Lösungen an, heißt es aus der Bundesregierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken