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Neue Klimaklage in den NiederlandenMilieudefensie gegen Shell – der nächste Akt

Erneut geht die NGO gegen den Fossil-Giganten vor. Diesmal soll die Inbetriebnahme von 700 geplanten neuen Öl- und Gasfeldern verhindert werden.

Eins von zahlreichen Ölfeldern von Shell: Raffinerie in Norco, USA Foto: Gerald Herbert/ap

AMSTERDAM taz | Die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Milieudefensie und Shell geht in eine neue Runde: Bei einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag in Den Haag machte der niederländische Zweig der Umweltschutz-Organisation Friends of the Earth bekannt, dass er den Konzern erneut auf juristischem Weg zu einem geringeren CO₂-Ausstoß zwingen will. Dieses Mal geht es um 700 neue Öl- und Gasfelder, die Shell „überall auf der Welt“ in Betrieb nehmen will. Deren Emissionen seien zusammengerechnet mit 5,2 Milliarden Tonnen etwa 36 Mal so hoch wie die der Niederlande.

Zeitgleich veröffentlichten Milieudefensie und die Menschenrechtsorganisation Global Witness eine Studie zu den geplanten neuen Shell-Feldern. Diese mache deutlich, dass der Ausstoß des Konzerns weiterhin steigen werde, so Milieudefensie- Direktor Donald Pols. „In einer Zeit, in der sich die Klimakrise durch Zutun von Betrieben wie Shell stetig verschlimmert, ist jedes neue Öl- und Gasfeld eines zu viel.“ Indem man den Fokus auf alle 700 neuen Projekte zugleich richtet, solle verhindert werden, „dass wir für jedes Feld einzeln vor Gericht müssen. Das dauert viel zu lange.“

Roger Cox, der Anwalt der NGO, schätzt die Aussichten der Klage günstig ein. Alle institutionellen und wissenschaftlichen Quellen seien sich darüber einig, dass es „keinen Platz für neue Öl- und Gasfelder“ gebe. Winnie Ousoren, Vorsitzende der Nachwuchs-Organisation Milieudefensie Jong, betonte, dass der Konzern die Erschließung neuer Felder „von selbst nicht stoppen“ würde. Laut der NGO habe er allein seit 2021, als ein niederländisches Gericht Shell erstmals eine Reduzierung der Emissionen auferlegte, Investitionen in 32 neue Öl- und Gasfelder beschlossen.

Weitere Klage gegen Shell läuft parallel weiter

Der Bezug auf die juristische Vorgeschichte der letzten Jahre bildet sowohl den Rahmen als auch den direkten Anlass der neuen Klage, deren Adressat Shell bis zuletzt geheimgehalten wurde. Im Mai 2021 rückte ein Gerichtsurteil in Den Haag den Rechtsstreit weltweit in den Fokus: Demnach musste Shell seine CO₂-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 um 45 Prozent reduzieren. Dieser Entscheid gilt als bahnbrechend, weil er erstmals die individuelle Verantwortung großer Unternehmen zum Klimaschutz festlegte und diese an eine konkrete Vorgabe koppelte.

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Ebenso große Aufmerksamkeit zog indes das Urteil im Berufungsprozess, ebenfalls in Den Haag, im November 2024 auf sich: Es gab der Revision des Konzerns statt. Grund dafür war allerdings nicht, dass einzelne ökonomische Akteure keine Verantwortung für die Klimakrise trügen, welche das Urteil ausdrücklich bestätigte. Vielmehr sah das Gericht es als unmöglich an, daraus eine konkrete Vorgabe – in diesem Fall von 45 Prozent – abzuleiten.

Auf die gerichtlich festgestellte Fürsorgepflicht bezog sich Milieudefensie-Direktor Pols ein ums andere Mal. Unter anderem nannte er das Urteil vom November „historisch“, weil es „das Ende einer Ära markiere“. Die erneute Berufung – dieses Mal vonseiten der NGO – werde von der aktuellen Klage gegen die 700 neuen Felder nicht betroffen, die „parallel“ dazu verhandelt werden soll. Shell habe nun vier Wochen Zeit für eine Reaktion, bevor die nächsten juristischen Schritte folgen.

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5 Kommentare

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  • Shell hat doch bereits reagiert und hat den Sitz in den Niederlanden im Jahr 2022 aufgegeben. Wer sollte da den noch verklagt werden?

  • Wieso können die gegen Shell klagen? Der Hauptsitz ist doch jetzt ausserhalb der EU, in London. Welcher Teil von Shell müsste sich an ein eventuelles Urteil halten? Können die auch gegen Exxon klagen? Oder müsste dann eine Invasion von DT befürchtet werden?



    Fragen über Fragen.



    Ansonsten bleibt immer wieder die uneinheitliche Zuordnung der CO2 Emissionen. Bei den neuen Gas und Ölfeldern werden sie dem möglichen Produzenten zugeordnet, beim ZahlenVergleich mit den Niederlanden dem Endverbraucher. Einer von beiden ist doch fein raus, oder?

    • @fly:

      Die können gegen Shell klagen, weil auch Firmen mit Sitz haftbar sein können für Aktivitäten, die sie anderswo verursachen (werden). Shell kann also zur Verantwortung gezogen werden für Klimaschäden, die es den Menschen und der Umwelt in den Niederlanden oder anderswo zufügt.

      • @Rini:

        Nö,

        Es braucht immer einen Anknüpfungspunkt. Entweder der Sitz des Unternehmens liegt im Inland (was seit 2022 nicht mehr der Fall ist) oder der Schaden entsteht dort (was sich dem Artikel nicht entnehmen lässt).

        Unweltklagen haben durchaus das Potenzial, bei der Auswahl des Unternehmenssitzes eine Rolle zu spielen.

  • Schade, dass es so läuft, und nicht die politische Sphäre so weit bereits reagierte.



    Fossil, Auto, Flug, Industriefleisch & Co. können aber offensichtlich doch nicht das Recht haben, Profit immer noch so krass auf Kosten Dritter zu maximieren.



    Ob das juristisch abzubilden ist, werden wir im Prozess sehen.