Neue Klimakiller geplant: Die wilde Vierzehn
Ein Boom von Kohle und Ölprojekten droht den Klimawandel zu zementieren. Greenpeace benennt weltweit 14 Großvorhaben, die das Zwei-Grad-Ziel unterlaufen.
BERLIN taz | Umweltschützer und Energieexperten warnen vor einem weltweiten Investitionsboom in Kohle-, Gas- und Ölprojekte, der alle Verpflichtungen zum Klimaschutz gefährdet. In einem aktuellen Report zählt die Umweltorganisation Greenpeace 14 Großprojekte auf, die 2020 zusammen „soviel zusätzliches Kohlendioxid ausstoßen werden wie die USA heute und das Handeln gegen den Klimawandel um ein Jahrzehnt zurückwerfen.“
Das „World Resources Institute“ (WRI) in Washington listet auf, dass derzeit weltweit knapp 1200 neue Kohlekraftwerke geplant werden. Und die Internationale Energieagentur (IEA) warnte in ihrem letzten Bericht, dass wenn nicht flächendeckend das Klimagas CO2 unterirdisch gespeichert wird – bis 2050 nur ein Drittel der vorhandenen fossilen Reserven verbrannt werden dürften, wenn der Klimawandel beherrschbar bleiben soll.
Davon ist die Welt weit entfernt. Der Verbrauch des Klimakillers Kohle stieg 2010, auf 7,2 Milliarden Tonnen. Fast die Hälfte davon wurde in China verfeuert. Geplant sind laut WRI Anlagen mit einer Kapazität von 1,4 Millionen Megawatt, vor allem in China und Indien. Die IEA geht in ihrem „Weltenergiebericht 2012“ davon aus, dass in China der Bedarf bis 2020 weiter ansteigt und bis 2035 auf hohem Niveau stagniert.
Greenpeace hat die Zahlen auf die „schlimmsten er schlimmsten“ Projekte heruntergerechnet, wie es in dem aktuellen Bericht „Point of No Return“ heißt. Wenn diese 14 Mega-Projekte wie geplant gebaut werden, überschreiten die Emissionen den „Punkt ohne Wiederkehr“: das verbleibende Budget für Klimagase wird gesprengt. Die so geschaffene Infrastruktur würde die Erdatmosphäre über die Grenze von zwei Grad Celsius erwärmen, die von allen Staaten als Limit für den Klimawandel festgelegt wurde, hat die Unternehmensberatung Ecofys für Greenpeace errechnet.
Riesige Exporte
Diese Projekte umfassen die Erschließung der Ölsände in Kanada und Venezuela, neue Ölbohrungen in der Arktis, in Kasachstan und im Irak und die Ausbeutung von Offshore-Ölfeldern vor Brasilien und im Golf von Mexiko. Die geringste Gefahr für das Klima geht von der Ausbeutung von Gasreserven in Afrika, den USA und im Kaspischen Meer aus. Am dreckigsten wird der Kohleabbau im chinesischen Westen und die riesigen Kohle-Exporte aus Indonesien, den USA und Australien.
Diese wilde Vierzehn „würde 2020 etwa 6,3 Milliarden Tonnen neuer CO2-Emissionen in die Atmosphäre bringen und die globalen Emissionen zu einem Zeitpunkt um 20 Prozent erhöhen“, schreibt Greenpeace. Weil über diese Investments jetzt entschieden werde, sei „die Periode bis 2020 entscheidend". Würden die Projekte realisiert wie geplant, führe das zu einem Anstieg der globalen Temperaturen um fünf bis sechs Grad Celsius bis zum Jahr 2100: ein „klares Szenario für die Klimakatastrophe“.
Kumi Naidoo, Chef von Greenpeace International sagt dazu: „Uns rennt die Zeit davon“. Die Umweltschützer verweisen darauf, dass das Klimaziel noch zu erreichen sei: mit energischen Maßnahmen zum Umstieg auf erneuerbare Energien und einem Rückgang der Emissionen um jährlich fünf Prozent. Allein ein Drittel dieser massiven Einsparungen könnte aufgebracht werden, wenn die umstrittenen 14 Projekte abgesagt würden.
Point of no Return
Denn die Zeit drängt, sagt auch die IEA immer wieder. Bereits 2011 verkündeten die Pariser Energieexperten inzwischen seien bereits vier Fünftel der zulässigen Emissionen bis 2035 festgelegt – durch bestehende Kraftwerke und Anlagen im Bau. Diese Festlegung, das „lock in“ durch Investitionen, müsse spätestens ab 2017 verhindert werden, fordert die IEA.
Später sei die einzige Möglichkeit, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, laufende Anlagen abzuschalten – eine gigantische Vernichtung von Kapital. Doch die Projekte wie geplant durchzuziehen, würde elementare Werte vernichten, so die Greenpeace-Studie „Point of no Return“: das Naturkapital des tropischen Regenwalds in Indonesien, des Great Barrier Riffs in Australien, der Arktis und des Gelben Flusses in China.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Miese Arbeitsbedingungen bei Lieferando
Darf's noch etwas mehr Ausbeutung sein?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Wirbel um Schwangerschaftsabbruch
Abtreiben ist Menschenrecht
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style