Neue ICE-Trasse geplant: „Landschaft mit Beton“
Die Bahn will die Trasse zwischen Hannover und Bielefeld aus- oder sogar ganz neu bauen. Dadurch verkürzt sich die Fahrtzeit nur wenig.
Statt wie bislang mit rund 200 Kilometern pro Stunde, könnten die Züge künftig mit bis zu 300 km/h verkehren. Das sei wichtig, sagen die Befürworter, um Berlin schneller an Ruhrgebiet und Rheinland anzubinden. Und für den geplanten „Deutschlandtakt“: Der bundesweit abgestimmte Fahrplan sieht im Kern einen Halbstundentakt auf den wichtigsten Verbindungen im Fernverkehr vor.
Auch im Regionalverkehr wären erhebliche Verbesserungen möglich, wenn mehr Gleise zur Verfügung stünden, heißt es: Zwischen Hannover und Minden etwa könnte der Regionalexpress halbstündlich fahren und dann jeweils abwechselnd weiter nach Bielefeld und Osnabrück/Rheine, das wäre doppelt so häufig wie bisher.
Die S-Bahn von Hannover nach Minden könnte ebenfalls verlässlicher verkehren und wäre damit für Pendler attraktiver, wenn sie nicht mehr durch Fernzüge und Güterzüge ausgebremst werde.
Streckenverlauf noch unklar
Die Planungen für die neue Strecke haben begonnen, aber noch ist unklar, wo genau sie verlaufen soll. Um die Anwohner einzubinden, hat die Bahn Anfang des Jahres einen „Bürgerdialog“ gestartet, im März tagte online ein erstes „Planungsplenum“ mit Vertretern von Bahn, Behörden, Kommunen und Bürgerinitiativen. Deutlich wurde dabei, dass es massiven Protest vor allem gegen einen Neubau der Trasse gibt. Und: Unter den Kritikern finden sich auch ausgewiesene Bahnfreunde.
Info-Markt Bahnprojekt Hannover-Bielefeld: 21.6. bis 4.7.2021, online: https://www.hannover-bielefeld.de/dialog/info-markt01
Info-Termin (Livestream und Chat) 30.6., online: https://www.hannover-bielefeld.de/dialog/info-termin01
Als Grundlage der Beratungen hat die Bahn Pläne für fünf Modell-Varianten vorgelegt. Dabei wird Variante 1 wohl nicht ernsthaft verfolgt. Sie sieht Ortsumfahrungen für Wunstorf, Bückeburg und Minden vor, dazu zusätzliche Gleise auf einem Teilabschnitt. Maximal Tempo 230 könnten die ICE dabei erreichen, und es würden nur acht Minuten Fahrzeit eingespart. Mit zurzeit kalkulierten zwei Milliarden Euro ist diese Variante allerdings auch die günstigste.
Variante 2 sieht eine Neubautrasse entlang der Autobahn 2 mit langen Tunnelabschnitten vor. Dies würde für das gewünschte Tempo sorgen, die Gesamtkosten aber wären hoch, Stand jetzt nämlich rund sechs Milliarden Euro. Die dritte Variante beinhaltet einen kürzeren Neubauabschnitt an der A2 und ein früheres Einfädeln in die bestehende Strecke bei Bad Oeynhausen. In diesem Fall würde nicht das gewünschte Tempo erreicht und die Arbeiten wären kompliziert.
In einer abgespeckten Variante 4 – mit weniger Ausbauten – stiegen die relativen Kosten, es käme nicht zu dem erhofften Fahrzeitgewinn. Kosten und Nutzen, Aus- und Neubau kombinieren soll Variante 5: Nahe an der bestehenden Trasse sind dabei neue Gleise vorgesehen, Wunstorf würde umfahren, das Wesergebirge in einem langen Tunnel unterquert.
Sogar Umweltverbände sind skeptisch
Sogar Umweltverbände, die grundsätzlich mehr öffentlichen Verkehr und insbesondere ein verbessertes Bahnangebot begrüßen, stellen solche Milliarden-Ausgaben für ein paar Minuten eingesparte Fahrzeit infrage. Für Verkehrswende und Klimaschutz seien in den nächsten zehn Jahren entscheidende Schritte notwendig, erklärte etwa die Bezirkskonferenz Naturschutz Ostwestfalen-Lippe – eine Strecke mit einer Planungs- und Bauzeit von mindestens 20 Jahren gehöre nicht dazu.
Die Menschen wollten nicht vorrangig mit 300 km/h von einer Metropole zur nächsten rasen, sondern pünktlich ankommen. Dazu bedürfe es verlässlicher Anschlüsse und einer flächigen Anbindung ländlicher Regionen mit vernünftigen Takt- und ohne lange Umsteigezeiten.
Deutlich positioniert sich der Dachverband gegen den Bau einer völlig neuen Trasse: Ein solches Vorhaben mit einem mit einem bis zu 60 Meter breiten „Baustellenmoloch“ werde sich durch eine vielgestaltige und besiedelte Landschaft fressen, Landschafts- und Naturschutzgebiete in großem Ausmaß zerstören und verinseln, Landschaften und Siedlungen verlärmen, die Wasserversorgung gefährden und wertvolle Nutzflächen versiegeln. Für große Tunnelbauten müssten riesige Gesteinsmengen bewegt werden.
Die im Schaumburger Land aktive Initiative „Pro Ausbau“ sieht sich in ihrer Ablehnung einer Neubaustrecke durch das jüngste Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. „Es spielt uns in die Karten, denn es wird definitiv auch Auswirkungen auf die Bahnpläne für die Region haben“, sagte Claudia Grimm von „Pro Ausbau“ der Schaumburger Zeitung.
Kapazitätserweiterung ist notwendig
Bei den zurzeit heiß diskutierten Zielfahrplänen bestehe die Gefahr bedrohlicher Fehlentwicklungen. Auf der Tagesordnung des Verkehrsministers stünden wieder einmal Hochgeschwindigkeitsprojekte, ausufernde Tunnelstrecken und Bahnhofsvergrabungen ganz oben. Diese Vorhaben konterkarierten aber eine klimaverträgliche Ausrichtung des Schienenverkehrs.
„Wir sind Bahnfreunde und setzen uns dafür ein, dass dieses Verkehrsmittel für alle besser wird“, erklärt die Initiative. Das für den Ausbau bereit gestellte Geld müsse ökologisch und ökonomisch eingesetzt werden. Hochgeschwindigkeits-Phantasien bei steigendem Stromverbrauch seien ebenso „von gestern wie Landschaft mit Beton zukippen, um 30 Minuten Zeit zu sparen“.
Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) zeigt sich für einen Streckenneubau offen. Er macht auf die rund 100.000 PKW und 20.000 LKW aufmerksam, die täglich auf der A2 zwischen Porta Westfalica und Hannover unterwegs sind und entsprechend Dreck, Staub und giftiges Abgas emittieren.
Schon deshalb bestehe großer Bedarf für einen leistungsfähigen Schienenweg. „Im Abschnitt zwischen Minden und Wunstorf liegen nur zwei Gleise, das ist zu wenig“, so der VCD. „Die Kapazitätserweiterung im Schienenverkehr ist seit Jahrzehnten überfällig.“
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