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Neue Hinweisstelle für RassismusEin Ohr für die Opfer

Die Hinweisstelle Memo erfasst rassistische Gewalt in Hamburg. Anders als die Beschwerdestelle der Polizei ist sie nicht staatlich eingebunden.

Kann rassistisch abgehen, muss aber nicht: Polizeikontrolle in Hamburg im Oktober 2020 Foto: dpa/Markus Scholz

Hamburg taz | Ob Racial Profiling, antisemitische Beleidigungen oder rechtsextreme Drohungen – Vorfälle rassistischer, antisemitischer und rechter Gewalt sollen in Hamburg durch die digitale Hinweisstelle Memo künftig besser erfasst werden. Durchgeführt wird das Projekt von der Beratungsstelle Empower, die seit 2015 eine Anlaufstelle für Betroffene rechter Gewalt bietet.

„Aus unserer Erfahrung wird ersichtlich, dass viele Fälle von Antisemitismus und Rassismus nicht registriert werden“, sagt Nissar Gardi, Ko-Leiterin von Empower. Die Polizei erfasse einige wenige Gewaltdelikte unter politisch motivierter Kriminalität, doch dies bilde „bei weitem nicht alle uns bekannten Vorfälle“ ab, so Gardi. „Betroffene befürchten, dass ihnen nicht geglaubt oder geholfen wird und zeigen Vorfälle daher gar nicht erst an“, sagt sie. Vorfälle wie rassistische Polizeikontrollen zeigten, dass eine solche Gewalt auch von staatlichen Institutionen ausgehen könne.

Polizeiliches Fehlverhalten kann bei der Beschwerdestelle der Polizei gemeldet werden. Einen Ausbau dieser Stelle haben SPD und Grüne vergangenes Jahr beschlossen. Die Beschwerdestelle untersteht nun direkt dem Polizeipräsidenten, neue Stellen wurden auch an So­zi­al­wis­sen­schaft­le­r:in­nen ausgeschrieben. Aktuell befinde sich die Dienststelle noch „im Konsolidierungsprozess“, teilte ein Polizeisprecher auf Anfrage mit. Man könne daher noch „keine validen Eingangszahlen“ benennen.

Sören Schumacher, Landesinnenpolitischer Sprecher der SPD, hingegen sagt, dass die Arbeit der Beschwerdestelle „sehr gut angelaufen“ sei. Es seien auch Hinweise „aus dem Bereich der Polizei“ eingegangen. Er verspreche sich dadurch „mehr Möglichkeiten der Konfliktaufbereitung“, als dies unabhängige Polizeibeauftragte haben.

Aus unserer Erfahrung wird ersichtlich, dass viele Fälle von Antisemitismus und Rassismus nicht registriert werden

Nissar Gardi, Co-Leiterin der Beratungsstelle Empower

„Es ist immer noch eine institutionell eingebundene Einrichtung, die aus einer bestimmten Perspektive filtert, ob und wie der Beschwerde nachgegangen wird“, sagt dagegen Gardi. Die Kommunikation mit der Beschwerdestelle sei für Betroffene und Einrichtungen „nicht gerade vertrauensstärkend und vielversprechend“. Aus diesem Grund sei es wichtig, zivilgesellschaftliches Monitoring zu schaffen.

Auf der Online-Plattform Memo wird es möglich sein, antisemitische, rassistische und rechte Vorfälle zu melden – anonym oder mit der Option, Beratung durch Empower zu erhalten. Dies können nicht nur Betroffene, sondern auch Zeu­g:in­nen oder Angehörige tun. „Wir haben zusammen mit Ver­tre­te­r:in­nen verschiedener Communitys einen Hinweisbogen entwickelt, der es uns ermöglicht, die Erfahrungen quantitativ und qualitativ zu erfassen“, so Gardi.

Auf acht verschiedenen Sprachen werden Fragen nach dem Tatort und den Tä­te­r:in­nen sowie der Art des Vorfalls gestellt. So kann zwischen verschiedenen Arten von Antisemitismus und Rassismus unterschieden werden, zum Beispiel zwischen anti-muslimischem Rassismus oder Rassismus gegen Sin­ti*z­ze und Rom*nja. „Das ermöglicht einen differenzierten Blick auf strukturelle Probleme und rechte Ideologien“, sagt Gardi.

Filiz Demirel, Bürgerschaftssprecherin für Antidiskriminierung der Grünen, begrüßt die Hinweisstelle, äußert jedoch auch Bedenken: „Es besteht die Gefahr, dass auch Fälle gesammelt werden, die am Ende nicht objektiv dargelegt werden können.“ Außerdem könnten solche Plattformen Zielscheibe für extremistische Angriffe werden.

Gardi ist nicht überrascht von dieser Reaktion: „Es besteht häufig ein Misstrauen von staatlichen Institutionen gegen Betroffene, Communitys und Projekte.“ Es sei ein Teil des Problems, dass diesen eine fehlende Objektivität attestiert werde. „Wie objektiv sind die von der Mehrheitsgesellschaft geprägten Institutionen?“, fragt Gardi zurück. Bedrohungen von rechts zeigten, dass strukturelle Veränderung und der Schutz von Betroffenen weiterhin notwendig seien.

Laut SPD-Sprecher Schumacher sei Memo „ausdrücklich Aufgabe der Beratungsstelle“ und bilde einen Teil der Strategie der SPD gegen Extremismus. Er verweist darauf, dass Empower durch die Stadt finanziell unterstützt wird. Das Projekt wird bis Ende 2024 durch das Bundesfamilienministerium und die Hamburger Sozialbehörde gefördert. Die Arbeit wird jedoch unabhängig von staatlichen Institutionen gemacht. Zukünftig sollen die Ergebnisse aus den Hinweisen genau dazu beitragen: zu einer Grundlage für politische Forderungen gegen antisemitische, rassistische und rechte Gewalt in Hamburg.

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