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Neue Hartz IV-SätzeSPD in komplizierter Lage

Die SPD stellt Bedingungen für ein Ja im Bundesrat. Sie will eine transparente Berechnung und mehr Bildung für Kinder. Blockiert sie, bleiben die niedrigeren Sätze.

Kulisse des vergangenen Parteitags: Ein faireres Deutschland mit der SPD? Bild: dpa

BERLIN taz | In einem war sich die SPD am Dienstag in der Debatte um Hartz IV einig: Der Vorschlag von Ursula von der Leyen (CDU) ist unzureichend. Die Arbeitsministerin will den Regelsatz für Hartz IV um fünf Euro ab dem kommenden Jahr anheben. Dem könne die SPD "so nicht zustimmen", sagte Sozialexpertin Elke Ferner der taz.

Seit Sonntag weiß die SPD von dem Vorschlag der Ministerin. Die Nachricht erreichte den Bundesparteitag in Berlin nahezu gleichzeitig mit der Rede von Parteichef Sigmar Gabriel. Die Regelsätze sollen in Westdeutschland von 359 auf 364 Euro steigen. Doch das Gesetz ist zumindest in weiten Teilen im Bundesrat zustimmungspflichtig. Die Union braucht also die SPD - und drängt diese damit in eine komplizierte Position. Würde die SPD nämlich nicht zustimmen, blieben die Regelsätze zunächst auf dem niedrigeren Niveau und würden erst rückwirkend angehoben werden.

Die Korrektur selbst kommt auf jeden Fall. Denn vorangegangen war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Februar, das eine transparente Berechnung der Sätze gefordert hatte. Eine Einigung müssen Union und SPD bis zum 17. Dezember, dem Datum der letzten Bundesratssitzung in diesem Jahr, erzielen.

Die SPD will sich nicht auf eine konkrete Forderung nach der Höhe eines Regelsatzes festlegen, sie zieht sich zunächst hinter die Gerichtsentscheidung zurück. "Wichtig ist jetzt zu überprüfen, ob das, was vorgelegt wurde, verfassungsgemäß ist", sagte Fraktionsvize Hubertus Heil am Dienstag in Berlin: "Das können wir nicht in ein oder zwei Tagen beurteilen." Auch die Berechnungsgrundlage aus dem Arbeitsministerium haben er und seine Koalitionskollegen noch nicht erhalten.

Sozialpolitikerin Ferner definiert die Kritikpunkte: Es müsse Transparenz bei der Berechnung der Regelsätze geben, mehr Förderung von Bildungsinfrastruktur und eine Veränderung der Referenzgrundlage für die Sätze. Diese bezog sich bislang auf die alltäglichen Ausgaben der 20 Prozent am wenigsten Verdienenden in der Bevölkerung. Jetzt sollen es nur noch 15 Prozent sein. Dann würde der Satz mit den geringeren Ausgaben der Ärmeren ebenso sinken. "Eine Trickserei", sagte Ferners Kollege Anton Schaaf der taz.

Noch haben die Gremien sich in der Partei noch nicht beraten, am kommenden Montag tagen Präsidium und Vorstand. Bislang habe die Debatte nicht geschadet, heißt es aus diesen Kreisen. "Es muss eine Lösung her", sagt SPD-Mann Schaaf. Bis Dezember sind es noch knapp drei Monate.

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11 Kommentare

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  • MD
    maria Daubenbüchel

    die spd würde wieder glaubwürdiger,wenn sie zugeben würde,daß harz IV

    ein großer irrtum war und daß es an der zeit ist diese menschenverachtenden

    bestimmungen ganz schnell wieder außer kraft zu setzen.

    es ist viel leichter einzugestehen,daß man einen beschluss im nachhinein

    als falsch ansieht,als krampfhaft auf ihm zu beharren

  • AB
    an Bernd Goldammer

    Lohnsenkungsdruck war nicht nur die Folge, sondern ausdrücklich beabsichtigt. Münte verdient sich da jetzt dumm und dämlich dran.

  • D
    Daniel

    Und wieder entscheidet faktisch eine große Koalition über das Arbeitlosengeld. Nur diesmal mit der SPD im Bundesrat.

     

    Die SPD sollte auf den Ausschluss der FDP von den Verhandlungen bestehen, analog des Ausschlusses der Grünen auf Wunsch der CDU im Jahre 2005. Die CDU verließ erst dann ihre vollständige Blockadehaltung.

     

    Die Grünen hatten daher keinerlei Einfluss auf Hartz IV, überlegten deshalb eine Weile, die Koalition zu sprengen, trugen das Gesetz aber letzlich trotzdem mit, aus falsch verstandener finanzpolitischer Verantwortung. Es fehlte ein Fünkchen mehr Mut zum Aufbegehren gegen Altmeister Joschka Fischer.

     

     

    Das Gefährliche am neuen Gesetz sind nicht +/- 5€, sondern die drastisch verschärften Sanktionsmöglichkeiten, und sicher noch etliche weitere Härten und Repressalien. Es muss daher heute für alle verantwortungsbewussten Politiker darum gehen, diese abzuwenden. Keine Zusammenarbeit mit der Unmenschlichkeit!

     

    Solche Gesetze sollte man übrigens dann reformieren, wenn man in beiden Kammern eine Mehrheit hat, also unmittelbar nach einem Regierungswechsel im Bund.

  • J
    juri

    @Bernd Goldammer:

    "...unser Land arm wie nie zuvor..." Bitte was? Würden sie mal die Festung Europa verlassen und nach Afrika, Asien oder Amerika (USA und Canada mal außen vor) reisen, dann würde sie so ewas sicher nicht mehr behaupten.

     

    Wenn ich mir überlege, dass 41 Mrd € jährlich direkt an Banken überwiesen werden (zur Zinstilgung), dann muten diese 5€ einfach nur peinlich an. Es geht nicht darum eine ernsthafte Existenzgrundlage neben dem Zwang zur Lohnarbeit zu schaffen. Worin der genaue Grund und die innere Logik für dieser antisoziale Politik liegt, hab ich aber auch noch nicht rausgefunden.

     

    Das immer über die Ausgaben verhandelt wird und die Diskussion über höhere Steuern völlig ausbleibt ist vermutlich auch nur der FDP geschuldet, die ihre letzten verbleibenden 5% Wählerschaft nicht auch noch vergraulen will.

  • KD
    Karl der Käfer

    ... Ich kann Aleks Krönung nur zustimmen !

     

     

    Diese "Blinden" wollten vorher diese Probleme TOTschweigen und jetzt tun Sie so.., die armen, sie müssen jetzt ja ein Gesetz umsetzen.

     

    Das mußten Sie im übrigen VORHER auch schon...oder leben Sie in einem rechtsfreien RAum.

     

    Mit anderen Worten. Jahrelang hat man die Gesetze mit Füßen getreten.

     

    Und wenn ich jetzt sehe, das für erwachsene Hartz IV- Empfänger ein Betrag von 1,38 für die Bildung monatlich BERECHNET wurde..- dann kann ich nur fordern, das diese Bande,die sich Regierung nennt ins GEfängsnis muß, damit weiterer Schaden vom Volk abgewendet wird ! Mir scheint das eher eine kriminelle Vereinigung zu sein, die sich weigert, die Gesetze anzuerkennen.

  • WL
    Wolfgang Lörcher

    Anscheinend stand der Betrag von 364.- Euro schon lange fest. Er steht nämlich im Existenzminimumsbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 2008. Dort wird unter Punkt 4.1.1 ein Existenzminimum für Alleinstehende von 364.- Euro für das Jahr 2010 genannt.

    Was allerdings traurig ist, die Regelsatzdebatte führt dazu, dass die weiteren, geplanten Änderungen der Sozialgesetzgebung, die bei weitem grausamer sind als die 5 Euro, gar nicht wahrgenommen werden.

    Kommunen sollen die Möglichkeit bekommen, die Kosten der Unterkunft per Satzung festzulegen und aöls Pauschale auszuzahlen.

    Darlehen, die dem Lebensunterhalt dienen, sollen als Einkommen mit den Leistungen verrechnet werden. Wer also mittellos ist und auf die Bearbeitung seiner Anträge wartet, muss entweder hungern, Sozialbetrug begehen oder betteln. Bisher konnte man sich nämlich noch etwas Geld borgen und dies mit den rückwirkenden LEistungen zurückzahlen. Das geht jetzt nicht mehr auf legalem Weg.

  • KT
    K.-D. T.

    Eine sehr schwierige Ausgangssituation für die SPD die am Erbe von Herrn Schröder wohl noch lange zuknabbern hat. Die Lösung muß aber von der SPD kommen sonst klebt es weiter an ihr wie Hundescheiße am Schuh

  • DW
    die Wurst

    Die SPD wird auch zustimmen. "schweren Herzens" natürlich und alle haben sich wieder lieb.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Hier ein paar Fakten gegen Propaganda. Harz IV ist eine sozengrüne Erfindung! Lohnsenkungsdruck war die Folge! Sozengrüne Steuersenkungen machten Spekulanten reich und unser Land arm wie nie zuvor!

  • A
    AleksKrönung

    Und wenn ich schon lese, Gremien hätten sich noch nicht beraten...ja sagt mal, geht es hier um ein völlig neues Problem, zu dem sich noch niemand Gedanken gemacht hat, und worüber man nich schon längst Einigung erzielt haben könnte? Seit Jahren wird um Agenda2010 und Harz4 gestritten, man man man. Das sind Sorgen für unser Land und nicht, ob der ALG2 Satz um 5 Euro erhöht wird. Oder wie Kinder an Bildung und Kultur teilhaben können. Es geht doch offensichtlich gar nicht wirklich um Hilfeempfänger, um 5 Euro oder um Kinder. Wenn in unserem Land Kinder keine Sorgen haben sollten, hätten diese auch keine. Dann hätte schon längst entschieden sein können und alle wären froh. Ja und warum gibt es Rechnungen die untransparent sind? Weil sich jeder Politiker seine Zahlen wohl so zurecht legt, wie er es gerade braucht :) Für seine Lobby. Das ist mal ein weiteres Problem. Wirklich regiert wird hier doch schon lange nicht mehr.

     

    LG Aleks

  • A
    AleksKrönung

    Super: Unsere Regierungspolitiker entscheiden zu einem Thema, dann muss das Verfassungsgericht ran, dann wird wieder von einem Teil der Regierungsbeauftragten entschieden und wieder soll das Verfassungsgericht ran, bevor es eine weitere Entscheidung gibt, um dann schnell alles unter Dach und Fach zu stopfen, weil dafür ein Termin steht. Mensch, das hat doch nichts mehr mit sinnvollem Regieren zu tun, was da läuft. Der ist einfach nur festgefahren der Karren ... Und die Verantwortlichen sind nicht in der Lage, vernünftig und ihrem Auftrag gemäß zu arbeiten. Das Land sollte doch ohne ständiges Klagen vor unseren höchsten Gerichten regierbar sein, oder? Man Man Man Das Problem gibt es in diesem Land schon seit fast 20 Jahren. Oder das Problem, dass einfach nicht zusammen regiert sondern nur herumgestritten und an Gesetzen geflickt wird, egal, welche Merheit eben im Bundestag oder im Bundesrat das Sagen hat.

    LG Aleks