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Neue Generation versus SpringerkonzernWer bedroht hier die Demokratie?

Timm Kühn
Kommentar von Timm Kühn

Die Blockade einer Druckerei des Springerkonzerns wird als Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert. Doch die wird von Springer selbst bedroht.

Aktion für oder gegen die Pressefreiheit? Blockade einer Springerdruckerei Foto: Michael Ukas/dpa

I m zweiten Versuch haben es die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen der Neuen Generation doch noch ge­schafft:­ Wie die Polizei mitteilte, gelang es der Gruppe in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, mit vier Fahrzeugen drei Zufahrten zu einer Druckerei des Axel-Springer-Verlags in Spandau zu blockieren. Am vergangenen Sonntagabend hatte die Polizei eine solche Aktion noch verhindert. Nach Polizeiangaben begann die Blockade um kurz nach 23 Uhr, der letzte Aktivist verließ demnach um kurz vor 4 Uhr morgens selbstbestimmt das Dach des Blockadeautos. Die Auslieferung der Springer-Medien wurde durch die Aktion vermutlich nicht ernsthaft beeinträchtigt.

Die Ak­ti­vis­t:in­nen begründen ihr Handeln damit, dass der Springer-Konzern für eine „Allianz der Rechten und Reichen“ stehe, die „politische Einflussnahme“ unter „dem Deckmantel des Journalismus“ betreibe. Und sie haben recht damit: Wie kein zweites Medium agiert die Springer-Presse seit Jahrzehnten als reaktionäre Propagandamaschinerie.

Ihre Redakteure betreiben das Geschäft der Hetze: Sie stacheln die Bevölkerung gegen Minderheiten und progressive Bewegungen auf, um sie von den Verhältnissen abzulenken, die sie tatsächlich unterdrücken und ausbeuten. Immer wieder trägt diese Hetze zu einer gesellschaftlichen Atmosphäre bei, in der sich Gewalt Bahn bricht – ob nun bei Autoattacken gegen Klimaaktivist:innen, brennenden Flüchtlingsheimen oder dem Attentat auf Rudi Dutschke.

Springer gehört enteignet

Wer jetzt argumentiert, wie etwa ausgerechnet die Jour­na­lis­t:in­nen­ge­werk­schaft DJU, die neue Generation greife mit ihren Aktionen die Pressefreiheit an, stellt die Dinge auf den Kopf. Denn die Pressefreiheit existiert, damit die Bevölkerung Zugang zu vielfältigen und unabhängigen Informationen hat – und nicht, damit die Profit- und Machtinteressen des Springer-Konzerns die öffentliche Debatte dominieren können.

Das Problem ist nicht, dass Redakteure der Springer-Presse eine politische Linie vertreten. Es besteht vielmehr darin, dass sie mit unlauteren Mitteln und dem Appell an die niedersten Instinkte den Diskurs gemäß der Interessen der reaktionärsten Mächtigen und Reichen verzerren. Mit anderen Worten: Das Problem ist die Privatmacht von Menschen wie Springer-Chef Mathias Döpfner – nicht der zivile Ungehorsam dagegen.

Gemessen daran, was die Springer-Presse tut, ist die Neue Generation noch enorm zurückhaltend. Unter Verweis auf Gandhi lädt sie Döpfner zu einem konstruktiven Dialog ein, will mit ihm thematisieren, dass seine Zeitungen die AfD stärken. Man könnte das Problem auch anders angehen und grundsätzlich fragen, ob sich so eine mächtige Institution wie der Springer-Konzern in einer Demokratie wirklich in Privatbesitz befinden sollte. Denn an dieser Wahrheit hat sich seit der Studentenrevolte der 1968er nichts geändert: Springer gehört enteignet.

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Timm Kühn
Redakteur
Textplaner taz Berlin. Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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10 Kommentare

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  • Es spielt keine Rolle wie und warum eine Presse das so macht! Es gehört zur Pressefreiheit dazu das jeder so schreiben darf wie man will. Das war definitiv ein Angriff auf die Pressefreiheit

  • Mit Verlaub - das ist Quatsch. Die Welt hat beispielsweise Krah und seine Machenschaften auseinandergenommen, da wusste der gemeine TAZ-Leser noch gar nicht, um wen es sich bei Krah handelt. Und bitte, zeigt mir einen Springer-Artikel, der auch nur ein gutes Haar an Weidel lässt. Und wer hat 2015 den "Pöbel" überzeugt, dass geschlossene Grenzen einfach nicht gehen? Bild vielleicht?

    Springer-Bashing ist so traditionell, dass es mittlerweile schlichtweg reaktionär ist und einfach nur typische Folklore von Steinzeitlinken. O.K. Boomer, werd' erwachsen.

    • @Fisherman:

      Ein 'Boomer' ist qua Definition bereits erwachsen. Springer wirkt bis heute gesellschaftsschädigend und zersetzend und zudem potenziell für MigrantInnen tödlich, denn sie schüren den Hass, aus dem andere Akteure Aktionspotenzial beziehen.

      • @Hatespeech_is_not_an_opinion:

        Aha. Ich lese Bild also gebe ich mein Hirn und mein selbstbestimmtes Handeln ab und werde erstmal MigrantInnen tödlich verletzen? Das ist ein seltsames Menschlichenbild. Vielleicht sollten Sie erstmal ein bisschen in den Springermedien blättern. Niemand muss Springer mögen, aber diese "rechtsaußen"-Behauptung ist sowas von absurd.

  • Welches Gericht sollte denn verbindlich und unanfechtbar feststellen, welcher Verlag und welches Medienhaus "enteignet" werden darf? Und auf welcher Grundlage? Sollte das jemals passieren wie im Artikel angedacht, ist das nicht der Beginn einer Diktatur. Dann wären wir mittendrin.



    "Unter Verweis auf Gandhi..." Wer um alles in der Welt legitimiert denn die "Was auch immer Generation", sich in die Tradition von Hr. Gandhi zu stellen. Ein Anliegen haben sie, aber friedfertig sind die "Aktivisten" nicht. Eher läuft ihr Tun auf Nötigung hinaus.

  • Die BILD und andere Springer Blätter verbreiten natürlich mehr als tendenziöse Schlagzeilen, nur selten weit von der Hetze entfernt. Und sie bedienen konservative, populistische, von mir aus auch rechte Klischees. Das zu verachten, dagegen zu protestieren und falsche Fakten zu entlarven, keinerlei Widerspruch. Ich reg mich auch nicht über die Klebeaktion auf.

    Aber im Ernst:

    "Gemessen daran, was die Springer-Presse tut, ist die Neue Generation noch enorm zurückhaltend."

    Das kann man als Journalist nicht im ernst schreiben. Es gibt sicher ne Menge Leute, die die taz für tendenziös halten. Auch hier gabs schon fragwürdige Artikel, Interviews mit fragwürdigen Persönlichkeiten und die Haltung zu linksextremer Gewalt ist hier auch nicht immer lupenrein demokratisch.



    Wenns in die Richtung geht, das radikaler Protest und Blockaden gegen Pressevertreter als "enorm zurückhaltend" gewertet werden, dann wirds meiner Meinung nach gefährlich. Was wäre denn angemessen, angesichts "was die Springer Presse tut"?

  • "Springer gehört enteignet."

    Ja, Springer und Vonovia.

  • Die Demonstranten (heißen in der deutschen Presse jetzt "Aktivisten" bzw. "Aktivist*innen") haben nicht verstanden, dass man in diesem Land Traktoren besitzen und einsetzen muss, um seine Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausüben zu können.

  • Wie putzig. Liebe LG sucht euch ein paar Hacker und blockiert Springer im Netz und den sog. "sozialen Medien".