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Neue Fabrik für TarnkappenbomberRheinmetall geht in die Luft

Die deutsche Rüstungsbranche boomt seit dem Ukrainekrieg. Branchenprimus Rheinmetall will jetzt im Luftraum mitverdienen.

Rheinmetall stößt nun auch in den zukunftsträchtigen Luftfahrtbereich vor Foto: Oliver Berg/dpa

Berlin taz | Krise? Nicht in der Rüstungsindustrie. Dank „Zeitenwende“ und weltweit steigender Verteidigungsausgaben boomen Deutschlands Waffenschmieden. Am Dienstag feierte der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall nach zwei Jahren Bauzeit die Fertigstellung seiner rund 60.000 Quadratmeter großen Fabrik im nordrhein-westfälischen Weeze.

Hier sollen bald Rumpfmittelteile für den US-Tarnkappenbomber F-35 gebaut werden. 400 Jobs entstehen. Rheinmetall investiert nicht nur über 100 Millionen Euro, sondern stampft mit den Flugzeug­teilen auch gleich ein neues Geschäftsfeld aus dem Boden. Bislang ist der Konzern mit Panzern, Artillerie, Flugabwehr und Munition im Geschäft. Nun stößt er in den zukunftsträchtigen Luftfahrtbereich vor, zu dem auch Drohnen und Satelliten gehören.

Rheinmetall steht stellvertretend für die ganze Branche. Vom mittelgroßen Zulieferer hat sich der Konzern in den vergangenen drei Jahren zu einem der wichtigsten Ausrüster im Ukraine­krieg gemausert. Rheinmetall-Chef Armin Papperger wird von der Politik hofiert. Der Börsenkurs seines Unternehmens ist seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 um das 18-Fache gestiegen, Auftragsbestände und Geschäftserwartungen haben sich seitdem auf 62 Milliarden Euro fast verdreifacht. Umsatz und Gewinn gehen steil nach oben, die Mitarbeiterzahl soll binnen zwei Jahren um ein Viertel auf 40.000 steigen.

Pappergers Schritt ist nicht überraschend, Drohnenhersteller haben für die Fachwelt derzeit das größte Wachstums­potenzial. Das spürt auch Helsing aus München. Obwohl die Firma mit 400 Mitarbeitenden relativ klein ist, sammelte sie kürzlich weitere 600 Millionen Euro von Investoren ein. Auch die Bundeswehr ist an der Kamikaze-Drohne HX-2 von Helsing interessiert, die bereits in der Ukraine fliegt.

Euphorisch die Stimmung bei Dynamit Nobel Defence & Co

Es ist ein auch von Steuergeldern bezahlter Aufstieg. Als Folge des Ukrainekrieges wird die Bundeswehr modernisiert und Waffenbestände werden aufgestockt. Ausgaben für das Militär sind teilweise von der Schuldenbremse ausgenommen, ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen wurde beschlossen. Nun will der Bund den Engpass beim Ankauf von Rüstungsgütern beseitigen: Dafür sollen besonders dringliche Aufträge künftig nicht europaweit, sondern nur noch national ausgeschrieben werden.

Die Branche dankt. Die Bundeswehr werde bis 2035 bis zu 1.000 neue Radpanzer brauchen, „hinzu könnten jeweils bis zu 600 neue Kampf- und Schützenpanzer kommen“, sagte Renk-Konzernchef Alexander Sagel am Dienstag zum Handelsblatt. Die ersten Aufträge erwarte er bereits Anfang kommenden Jahres, der Bedarf sei riesig. Der Augsburger Konzern ist außerhalb von Russland und China globaler Marktführer für militärische Präzisionsgetriebe, zum Beispiel für Panzer oder auch Fregatten.

Ähnlich euphorisch ist die Stimmung auch bei Dynamit Nobel Defence, Diehl, Heckler & Koch – oder bei Hensoldt aus dem bayerischen Tauf­kirchen, einem Anbieter von Sensoren und Radarsystemen. Der Umsatz stieg in den vergangenen drei Jahren etwa um die Hälfte auf 2,2 Milliarden Euro. 2025 möchte die Firma mit ihren rund 9.000 Beschäftigten mindestens 2,5 Milliarden Euro einnehmen, 2030 satte 6 Milliarden.

Radare von Hensoldt stecken im Kampfjet Eurofighter und kommen auch in der Ukraine zum Einsatz, um die Bevölkerung vor Luftangriffen zu schützen. Die Firma fertigt zudem Periskope für gepanzerte Fahrzeuge und U-Boot-Sehrohre.

Akuter Fachkräftemangel

Auch die Kieler Tochter des Industriekonzerns Thyssenkrupp ist mit der Bundeswehr im Geschäft. Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) ist nach eigenen Angaben mit 8.500 Mitarbeitenden Weltmarktführer für nicht nuklear betriebene U-Boote – und bis Anfang der 2040er Jahre voll ausgelastet. Im Dezember bewilligte der Bundestag den Bau von vier weiteren U-Booten der Klasse 212 CD für die Marine. Insgesamt sollen zehn solcher Boote bei TKMS gebaut werden – sechs für Deutschland, vier für Norwegen. Kürzlich bekam der Konzern zudem einen 800-Millionen-Euro-Auftrag zur Modernisierung von sechs U-Booten der Marine.

Längst leidet die Branche mit nach eigenen Angaben etwa 100.000 Beschäftigten unter akutem Fachkräftemangel. Weil in der Autoindustrie Stellen ­gestrichen werden, hat der ­Rüstungsverband BDSV ein Konzept namens ­„Auto2Defence“ ersonnen. Aber nicht nur aus der Auto­branche direkt kommen die Arbeitenden. Den Anfang machte der Autozulieferer Continental, dessen Beschäftigten im niedersächsischen Gifhorn Jobs in einer Munitionsfabrik von Rheinmetall im 50 Kilometer entfernten Unterlüß angeboten wurden. Im einstigen Alstom-Waggonwerk im sächsischen Görlitz baut der Panzerbauer KNDS jetzt Teile für den Kampfpanzer Leopard 2, den Schützenpanzer Puma und den Radpanzer Boxer.

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13 Kommentare

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  • Das wäre doch mal eine Geschäftsidee für den Kleptokraten im Kreml: Einfach an der Börse massiv auf fallende Rüstüngsaktienkurse wetten lassen und sich dann einfach aus der Ukraine zurückziehen...

    • @Gerald Stolten:

      Guter Tip.



      Wissen Sie was Genaues?

  • Man könnte fast meinen, Deutschland profitiere vom Ukraine-Krieg...

    • @Floris:

      Von diesem Krieg profitiert vor allem der Kleptokrat im Kreml, der einen äusseren Feind braucht, um sein ausgeraubtes Volk im Inneren in Schach halten zu können !



      Die unterschwellige Behauptung, die Rüstungsindustrie im Westen sei hier der eigentliche Kriegstreiber, ist für Schwurbler und Diktaturfans sicher reizvoll, aber eben doch nur eine Verschwörungstheorie !

  • Wäre schön, wenn die Steuergelder auch für Maßnahmen zum Klimaschutz so überaus großzügig ausgegeben würden wie für Aufrüstung.

    • @Felis:

      Noch viel schöner wäre es, wenn Putin seine terroristischen Angriffe gegen die Ukraine sofort stoppen würde und wir alles Geld gegen den Klimawandel einsetzen könnten.



      -Leider ist das den Faschisten im Kreml und im Weissen Haus völlig egal !

  • Ich kann mich bei dem Thema nicht beruhigen. Warum Aber-Milliarden in eine Rüstung stecken, die binnen Sekunden vernichtet wird / werden kann?



    Ach so, weil man das eroberte Gebiet dann nicht nutzen kann, brauchen wir Ritter mir teuren Schwertern.



    Weder Trump noch Putin werden die Weltherrschaft erlangen.



    Trump hat sie soeben abgegeben. Der herrscht nur über willfährige SchleimspurLecker.

  • taz: *Die deutsche Rüstungsbranche boomt seit dem Ukrainekrieg. Branchenprimus Rheinmetall will jetzt im Luftraum mitverdienen.*

    Die deutsche Rüstungsindustrie verdiente am Elend und am Tod anderer Menschen ja schon immer sehr gut - und das wird wohl leider auch so bleiben. Die Rüstungsindustrie hat sich mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert in Westeuropa entwickelt.

    *In der Vergangenheit nahmen Rüstungsindustrielle mehrfach Einfluss auf das politische Geschehen, um Bedingungen für ihren Wirtschaftszweig zu verbessern. Dabei kam es auch zu illegalen Schmiergeldzahlungen von Rüstungslobbyisten.* [Wikipedia]

    Das Rüstungslobbyisten Einfluss auf das politische Geschehen nehmen, ist heutzutage sicherlich auch noch immer 'gang und gäbe'. Und der Mensch findet natürlich auch immer einen Grund um sich gegenseitig abzuschlachten. 'Diejenigen' die Kriege anzetteln und auch 'diejenigen' die mit der Herstellung der Waffen sehr viel Geld verdienen, die liegen allerdings so gut wie nie verstümmelt oder tot auf dem Schlachtfeld oder in den bombardierten Städten neben den toten Frauen und Kindern.

    • @Ricky-13:

      Die Rüstungsfirmen sind nicht die Ursache der aktuellen militärischen Konflikte.

      Sie sind damit eher ein Symptom und ein leider notwendiges Übel.

  • Ich frage es hier noch einmal: Wenn "Die Russen" uns angreifen wollen, warum sollten sie dann warten bis wir uns wehren könnten?

    • @LeKikerikrit:

      Weil sie in der Ukraine beschäftigt sind?

    • @LeKikerikrit:

      vielleicht hat Putin Aktien von Rheinmetall gekauft bevor er die UA angegriffen hat? Abgesehen davpn sagen die Leute doch dass es Jahrzenhte dauern wird bis die Russen an der Westgrenze der UA angekommen sind, Glaube ich nicht, die ukrainische Armee wird lange vorher zusammenbrechen. Aber nicht morgen oder übermorgen. Und bis dahin muss das Geld aus den neuen Schulden den Besitzer und den Status (aus Schulden wird Eigenkapital() wechseln.

  • Mindestens 75% der aus zu zahlenden Dividende gehen an die Auftraggeber.



    Steht in Zukunft in jeder Order, die vom Steuerzahler getätigt wird.