Neue Europäische Politische Gemeinschaft: Gründung mit Fragezeichen
Frankreichs Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz wollen die EU in einem neuen Format stärken. Das geht nur, wenn es gemeinsame Ziele gibt.
G ibt man in eine bekannte Suchmaschine den Begriff „Europäische Politische Gemeinschaft“ ein, so erscheint als erstes Suchergebnis „Gescheitertes Projekt zur Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit“. Die Idee ist also nicht neu, und sie kann scheitern. Ob die nun neu gegründeten Gemeinschaft ein ähnliches Schicksal wie das 70 Jahre zuvor angestoßene Vorläuferprojekt ereilt, wird davon abhängen, wie und ob sich die Europäische Union weiterentwickelt.
Ideen zur Zukunft der EU kommen seit einigen Jahren vor allem aus Frankreich und von Emmanuel Macron. Der schlug schon in seiner Sorbonne-Rede vor fünf Jahren ein Europa der zwei Geschwindigkeiten vor: ein Kerneuropa der EU-Mitglieder und ein Großeuropa von Partnern und Freunden. Das war auch eine Absage an weitere Erweiterungsrunden, konkret an die Westbalkanstaaten, die seit einem Jahrzehnt im Kandidatenstatus verharren. Aus Deutschland, sprich: von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel, kam damals: keine Antwort.
Dass Macron die Idee nun erneut in den Raum geworfen hat und Kanzler Scholz sie unterstützt, hat natürlich mit der veränderten geopolitischen Lage zu tun. Der russische Angriff auf die Ukraine schweißt viele Länder zusammen, die sonst Konflikte haben. Griechenland und die Türkei etwa, oder auch Großbritannien und die EU-Staaten. Das sie alle im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft nun zusammenkommen, um miteinander zu reden ist erst mal ein gutes Zeichen. Reden ist immer gut.
Eine Zukunft wird das neue Gesprächsformat aber nur haben, wenn es nicht nur einen gemeinsamen Gegner – in diesem Fall Putin –, sondern auch gemeinsame Ziele gibt. Zumal mit Aserbaidschan auch ein Land dabei ist, dass weder besonders demokratisch noch besonders friedlich ist.
Die Europäische Politische Gemeinschaft darf kein nett eingerichtetes Wartezimmer für die Westbalkanstaaten werden, in dem diese bis in alle Ewigkeit auf Beitrittsverhandlungen warten. Sonst sind sie vermutlich die ersten, die diese Gemeinschaft wieder verlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe