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Neue Energiepolitik in FrankreichParis will sechs neue Reaktoren

Die Regierung fragt beim Kraftwerksbetreiber EDF an, ob sie weitere Reaktoren bauen kann. Kritiker fürchten einen Schwenk in der Energiepolitik.

Davon soll es noch mehr geben: Modell des EDF-Kraftwerks im französischen Flamanville Foto: AREVA/ap

Paris taz | „Heimlich“ plane die Regierung an sechs neuen Atomreaktoren des Typs EPR – dies „enthüllte“ die Zeitung Le Monde. Und präsentierte einen Brief, der online als Faksimile abgedruckt war. Dort fragten zwei Regierungsmitglieder, Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und Umweltministerin Elisabeth Borne, beim Energiekonzern EDF (Electricité de France) an, ob er in der Lage wäre, mittelfristig und zu vernünftigen Kosten drei neue Atomkraftwerke mit EPR-Doppelreaktoren an verschiedenen Standorten in Frankreich zu bauen.

Ist das nur energiepolitische Gedankenspielerei? Ein Testballon, um die Reaktionen zu testen? Oder auch mehr? In dem Brief wird EDF immerhin sehr konkret aufgefordert, bis Mitte 2021 der Regierung ein umfassendes Dossier mit allen Antworten auf die gestellten Fragen zu liefern. Diese wolle in dieser Frage des Ausstiegs oder Förderung der Atomkraft eine grundsätzliche Entscheidung treffen.

Als detaillierte Vorgabe für die gewünschte Offerte heißt es im Brief an EDF-Chef Jean-Bernard Lévy, die Regierung stelle sich den Bau der drei neuen Anlagen in jeweils vierjährigen Etappen und mit einer Frist von 18 Monaten zwischen der Fertigstellung der beiden Reaktoren vor.

Des Weiteren verlangt die Regierung von EDF eine „Bestandsaufnahme“ der bestehenden AKWs und der Technologie „unter Berücksichtigung der Erfahrungen beim Bau der ersten EPR“ in Flamanville (in der Nähe von La Hague in der Normandie), in Hinkley Point (England) und in Taishan (China).

Weichenstellung in der Energiepolitik

Diese Informationen sollen als Grundlage für eine eventuelle Weichenstellung in der Energiepolitik bis Mitte November dieses Jahres dienen, also relativ kurzfristig. Von den drei Anlagen ist nur die letzte seit 2018 in Betrieb, bei den beiden anderen häufen sich Pannen mit enormen Zusatzkosten – und entsprechenden Verzögerungen.

Außerdem möchten Le Maire und Borne wissen, ob EDF überhaupt die industriellen und finanziellen „Kapazitäten“ habe für eine eventuelle und doch eher überraschende Expansion.

Zur Erinnerung: Präsident Emmanuel Macron hat bereits bestätigt, dass er, wie von seinem Vorgänger François Hollande angekündigt, den Anteil der Atomkraft an der nationalen Stromproduktion von 75 auf 50 Prozent verringern wolle. Macron hat aber inzwischen das ursprünglich auf 2025 festgelegte Ziel dafür auf 2035 hinausgeschoben – und erklärt, für ihn habe die Kernenergie eine Zukunft. Auch eine Antwort auf die Klimafrage.

„Gravierende Änderung der Energiewende“

Falls Macron auf den EPR setzen sollte, wäre das nicht bloß ein Zaudern im Stil „ein Schritt vorwärts, zwei zurück“, sondern eine gravierende Änderung der versprochenen Energiewende.

Die Macron nahestehende Abgeordnete der Regierungspartei République en marche und Ex-Grüne Barbara Pompili meinte dazu: „Dieser Brief (an EDF) ist beunruhigend: Er vermittelt den Eindruck, dass die Entscheidungen bereits getroffen wurden.“ Das meinen auch die AKW-Gegner von Sortir du nucléaire. Sie befürchten, die Regierung plane eine atomare „Flucht nach vorn“ in Missachtung des Wunschs einer Mehrheit, die nicht mehr, sondern weniger AKWs in Frankreich wünsche.

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6 Kommentare

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  • Ich habe an der objektivität der taz im hinblick auf die atomenergie erhebliche zweifel.immerhin ist sie ein blatt dass vor allem von wähler*innen der grünen gelesen wird,und diese partei hat aus ihrem nein zur atomenergie eine ideologie und ein dogma gemacht.

    viele klimaschützer*innen sind für die atomenergie weil sie einen schnellen und kurz und mittelfristig betrachtet relativ billigen ausstieg aus dem fossilismus ermöglicht.

    der grösste teil der kosten fällt bei der atomenergie erst in der zukunft an.



    wenn man schnell aus dem fossilismus aussteigen muss kann dies ein argument für die atomenergie sein.



    wenn wir für den ausstieg aus dem fossilismus noch viel zeit hätten oder wenn die reichen der welt wirksam dazu gezwungen werden könnten die kurzfristig und mittelfristig betrachtet höheren kosten der solarenergie zu tragen wäre die nutzung der atomenergie als brückentechnologie vielleicht nicht notwendig.

    contra:



    www.youtube.com/watch?v=V3OrmIuN_QQ



    pro:



    www.youtube.com/watch?v=9PugxoigU8U

    wenn wir nicht wollen dass entwicklungsländer neue kohlekraftwerke bauen oder bereits gebaute kohlekraftwerke weiterbetreiben sollten wir die mehrkosten die mit der nutzung der solarenergie verbunden sind den reichen der welt aufzwingen.zum beispiel in form von zinslosen zwangskrediten ,die erst zurückbezahlt werden wenn das klima gerettet ist

    wenn wir dazu weder gewillt noch imstande sind bleibt als einzige alternative zur kohle die atomenergie

    damit die technologie nicht missbraucht wird um atomwaffen zu bauen müssten alle atomkraftwerke von der uno kontrolliert und am besten auch betrieben werden.

  • Nun, wenn ich das richtig sehe, ist es am wahrscheinlichsten, das diese EPR-Reaktoren vor allem extrem teuer würden und lange brauchen, bis sie komplett pannenfrei in Betrieb gehen könnten.

    Politiker sind halt nur begrenzt lernbereit.

    • @Sonntagssegler:

      Wenn Sie wirklich wissen wollen wie wirtschaftlich ein Kraftwerkstyp im Vergleich ist sollten Sie sich mit dem unter Experten verwendeten Begriff "Erntefaktor" beschäftigen. Während seiner Lebenszeit „produziert” ein Kraftwerk Energie; für den Bau, während des Betriebs und für den Abbau muss aber auch Energie aufgewendet werden. Diese Energien müssen zueinander in Bezug gesetzt werden. Je größer der Erntefaktor, desto lohnender ist der Bau und Betrieb einer Anlage. Die Lebensdauer eines Kraftwerktyps ist dabei eine sehr entscheidende Komponente. Man kann den Erntefaktor mit/ohne Speicherung angeben. Bei einem Vergleich mit Wind/Photovoltaik macht ein Vergleich des Erntefaktors nur Sinn wenn die Speicherung/Reserve berücksichtigt wird. Der Erntefaktor liegt bei Photovoltaik (mit Speicherung bzw. Reserven) bei 1,5-2,5, bei Wind bei 4,0, bei Wasser und Kohle bei 40, bei Kernkraft bei 75-100. Unter dem Strich ist Photovoltaik daher mit Abstand die unwirtschaftlichste Form ein Kraftwerk zu betreiben (daher auch die Notwendigkeit einer "Subventionierung" in Form der EEG-Umlage). PS: Solar macht unter Berücksichtigung des Ernefaktors allenfalls in Südeuropa/Nordafrika Sinn, aber nicht primär mit Photovoltaik sondern mit Solarthermie (Erntefaktor = 10).

      • @Pi-circle:

        Deine Behauptungen sind pure Fake News.

        Der so genannte "Erntefaktor" sagt nichts (wirklich gar nichts) aus über die Wirtschaftlichkeit eines Kraftwerks.

        Der "Erntefaktor" beschreibt lediglich das Verhältnis von gewonnener zu aufgewendeter Energie.

        Und nur nebenbei: Auch die Zahlen, die du nennst, sind völlig falsch. Falscher geht's kaum.

    • @Sonntagssegler:

      Teuer ist der Bau der ersten Reaktoren dieser ganz neuen Baureihe (Gneration III+ Kraftwerke). Das ist ein Grundprinzip in der Technologieentwicklung - vor allem bei Hightech. Die Kopien der ERP Reaktoren - wie jetzt geplant - werden deutlich preisgünstiger sein. Das ist ein Grundprinzip der Skalierung, hat schon bei den alten Kernkraftwerken in Frankreich geklappt.

      • @Pi-circle:

        Meinst hier einen auf schlau zu machen, verbreitest aber nur fakenews, was jeder leicht erkennen kann (Wikipedia gibt andere Werte an):



        - Deine Rechnung geht nur auf, wenn man die Endlagerung nicht mit einbezieht.



        - Wenn du nur einen einzigen Wächter für 10 000 Jahre vor dem Endlager im Schichtbetrieb Wache schieben lässt, ist deine Rechnung schon längst widerlegt.



        - Ein Wachmensch reicht nicht zur Sicherung eines Atommüllendlagers.