Neues Atomkraftwerk in Großbritannien: Atomkraft doch bitte?

Großbritannien plant ein zweites AKW der neuen Generation – nur ein paar Hundert Kilometer Luftlinie von Deutschland entfernt.

Aufnahme des AKWS vor dem Meer

Das erste neue Atomkraftwerk Hinkley Point C ist im Bau, hier eine Aufnahme von 2015 Foto: Suzanne Plunkett/reuters

DUBLIN taz | Großbritannien setzt auf Atomkraft, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Das erste neue Atomkraftwerk Hinkley Point C ist im Bau, das zweite soll bald folgen. Derzeit läuft das Genehmigungsverfahren für Sizewell C in der südost­englischen Grafschaft Suffolk – nur rund 300 Kilometer Luftlinie von der deutschen Grenze entfernt. Die Frist für die Beteiligung der Bundesregierung, der Länder und der deutschen Öffentlichkeit an der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) läuft am 19. August ab.

Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Sylvia Kotting-Uhl (Grüne), monierte, dass der britische Umweltbericht unübersichtlich und nicht auf Deutsch verfügbar sei. „Das Vereinigte Königreich versucht erneut, seinen Verpflichtungen zu entgehen, diesmal auf eine heimtückische Art und Weise“, sagte sie.

Kotting-Uhl fragte Mitte Juli bei der Bundesregierung nach, ob man gedenke, sich an dem UVP-Verfahren zu beteiligen. „In einem vorangegangenen Screening-Verfahren hatte Großbritannien festgestellt, dass dieses Neubauvorhaben keine grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen zeitige“, hieß es in der Antwort. Man habe aber auf der Webseite des Ministeriums „die Kontaktdaten der britischen Behörde veröffentlicht, damit sich interessierte Private oder Vereinigungen unmittelbar bei der zuständigen Behörde registrieren können“.

In Großbritannien sind 15 Reaktoren in Betrieb, sie decken 21 Prozent des Strombedarfs ab. Aber fast die Hälfte muss bis 2025 abgeschaltet werden, die restlichen Reaktoren bis auf einen bis Mitte der dreißiger Jahre. Die Gewerkschaft GMB argumentiert, dass man deshalb 5 neue Atomkraftwerke benötige. Sizewell C soll Anfang der dreißiger Jahre ans Netz gehen und 3,4 Gigawatt für sechs Millionen Haushalte produzieren.

Deutsche Umweltschützer können bis 19. August Einwände vorbringen

Ein Konsortium aus 32 Zulieferbetrieben für die Atombranche hat die Regierung Mitte Juli aufgefordert, das Projekt zu unterstützen: Es werde „die Wirtschaft ankurbeln“ und das Land „auf den Weg zu einem grünen Aufschwung führen“. Das Konsortium will garantieren, dass 70 Prozent der Bauaufträge an britische Firmen gehen. So sollen 25.000 Jobs während der zehnjährigen Bauphase sowie bis zu 1.000 Lehrstellen entstehen.

Auch Sizewell wird immer teurer

Für den Bau von Hinkley Point C, das in fünf Jahren betriebsbereit sein soll, sowie für Sizewell C sind das französische Staatsunternehmen EDF und China General Nuclear verantwortlich. Das chinesische Unternehmen steht auf einer roten Pentagon-Liste von 20 Unternehmen, die Verbindungen zum chinesischen Militär haben. Die beiden Unternehmen versprachen, dass Sizewell 20 Prozent billiger als Hinkley Point sein werde. Da der Preis für Hink­ley Point stetig steigt, wird auch Sizewell immer teurer.

Aber das kann den Unternehmen egal sein, denn das Risiko tragen die Steuerzahler. Für den von Hinkley Point C produzierten Strom hat die Regierung eine Preisgarantie von 92,50 Pfund pro Megawattstunde gegeben, sie gilt für 35 Jahre. Selbst der britische Rechnungshof monierte, dass der Preis weit über dem gängigen Marktpreis liegt.

Für Sizewell C hat man deshalb ein anderes Modell gewählt, was aber auf das gleiche Ergebnis hinausläuft: Man bittet die Stromkunden vorab durch erhöhte Strompreise zur Kasse, aber nach der Inbetriebnahme soll der Preis sinken. Falls die Kosten die ursprüngliche Kalkulation um mehr als 30 Prozent übersteigen, kommen die Steuerzahler dafür auf. Und wenn die Gelder knapp werden, gibt es günstige Kredite. Das Risiko für Investoren ist also vernachlässigenswert.

Nicht nur die Gruppe „Stop Sizewell C“, sondern auch der National Trust, die Organisation für Denkmalpflege und Naturschutz mit Prinz Charles als Präsidenten, warnt vor „verheerenden Auswirkungen“ auf die Gegend. Bis zum geplanten Baubeginn 2022 muss die Atomlobby noch ein paar Hürden überwinden.

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