piwik no script img

Neue Corona-Einschränkungen in BerlinWas ist noch erlaubt?

Die neue Corona-Verordnung des rot-rot-grünen Senats ist teilweise drakonisch formuliert. Fragen und Antworten, was jetzt noch erlaubt ist.

So ist's recht: Immer schön auf Abstand. Aber sitzen da nicht drei Menschen auf einer Bank? Foto: dpa

Berlin dpa | Seit Montag gelten in Berlin neue Ausgangsbeschränkungen. Demnach müssen sich alle Berliner „ständig in ihrer Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft“ aufhalten. Es gibt aber zahlreiche Ausnahmen, die Arztbesuche, den Einkauf, das Gassi-Gehen mit dem Hund oder Sport und Spaziergänge an der frischen Luft ermöglichen sollen – solange sich im Freien keine Ansammlungen von mehr als zwei Personen bilden. Für viele Berliner stellen sich nun allerdings etliche ganz praktische Fragen.

1. Darf ich im Supermarkt meiner Wahl einkaufen oder muss es der nächstgelegene sein?

Dazu gibt es in der am Sonntag vom Senat beschlossenen „Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Berlin“ keine Festlegungen. Die Rede ist lediglich von „Besorgungen des persönlichen Bedarfs in Verkaufsstellen“. Man kann also, statt zum Discounter oder Späti in der Nähe auch zum Beispiel zu weiter weg gelegenen großen Verbrauchermärkten fahren, um sich mit Lebensmitteln oder Drogerieartikeln einzudecken.

2. Wo genau darf ich noch Spazierengehen, Joggen oder Fahrradfahren?

Auch hierzu gibt es in der Verordnung keine Definition. Man kann um den Block laufen, in den Park um die Ecke gehen oder sich auch in einen anderen Stadtteil begeben, um sich an der frischen Luft zu bewegen. Wichtig dabei: Keine Grüppchen von mehr als zwei Leuten bilden – zu dritt oder zu viert dürfen nur Menschen unterwegs sein, die zusammen leben und wohnen. Und: Zu anderen Personen 1,5 Meter Sicherheitsabstand wahren.

3. Was ist, wenn ich zum Arzt muss?

Das ist und bleibt erlaubt, ebenso medizinisch notwendige Besuche etwa beim Zahnarzt oder Psychotherapeuten.

4. Wie will die Polizei die Regeln durchsetzen?

Sie will vor allem kleinere und größere Gruppen von Menschen kontrollieren. Wer einzeln oder zu zweit unterwegs ist, steht nicht im Fokus der Kontrollen, wie die Polizei am Montag bei Twitter schrieb. „Wer heute an die frische Luft will, muss nicht ständig fürchten, in eine Kontrolle zu geraten. Unsere (Kollegen) kontrollieren vor allem Gruppen über 2 Personen, in denen deutlich gegen die Abstandsregelung verstoßen wird“, hieß es.

5. Muss ich den Ausweis dabei haben, wenn ich meine Wohnung verlasse?

Ja, Berliner sind jetzt dazu verpflichtet. Die Polizei kann verlangen, den Ausweis zu sehen, etwa um feststellen, ob die Gruppe von mehr als zwei Leuten, in deren Begleitung man unterwegs ist, tatsächlich zu der Familie gehört, bei der man lebt. Auf dem Ausweis ist die Anschrift vermerkt, die dann abgeglichen werden kann.

6. Im Freien sind Ansammlungen von mehr als zwei Leuten verboten – was ist mit der Wohnung? Darf ich die Familie meines Nachbarn zum Essen einladen?

Das ist laut Verordnung nicht erlaubt. Unter den dort aufgeführten Ausnahmen vom Kontaktverbot ist ein Besuch der Nachbarn nicht explizit erwähnt – also verboten. Fraglich ist, wie das durchgesetzt werden soll. Wenn sich nicht gerade ein anderer Nachbar etwa über Lärm beschwert, dürfte das keiner mitbekommen.

7. Darf ich in einen anderen Kiez fahren, um einen Freund oder eine Freundin zu besuchen?

Das sollte möglich sein. Denn grundsätzlich darf ja jeder alleine überall unterwegs sein, die Begründung dafür dürfte nicht allzu schwer sein: Bewegung, Einkaufen, Arztbesuch. Und die Polizei will ja – wie bereits erwähnt – nicht jeden Menschen auf der Straße kontrollieren. Klar ist auch: Besuche etwa beim kranken Vater in dessen Wohnung sind möglich und erlaubt.

8. Darf man kranke Angehörige oder Freunde im Krankenhaus besuchen?

Nein. Generell ist das nicht mehr erlaubt. Wer im Krankenhaus liegt, darf keinen Besuch empfangen.

9. Gibt es wenigstens Ausnahmen von der Regel?

Ja, aber nur sehr begrenzt: Wer schwerstkrank ist oder unter 16 Jahren, kann einmal am Tag Besuch bekommen. Dann aber auch nur von einer einzelnen Person und nur eine Stunde lang. Und der Besucher darf keine Atemwegsinfektion haben.

10. Wie ist das, wenn hochschwangere Frauen ins Krankenhaus kommen – muss ihr Partner dann draußen bleiben?

Nein, werdende Mütter dürfen sich zur Geburt ihres Kindes von einer Person eigener Wahl begleiten lassen, also zum Beispiel von ihrem Partner. Nach der Geburt gilt auch für sie: Besuch ist einmal am Tag erlaubt, allerdings nicht von Kindern. Mit einer Ausnahme: die Geschwister des Neugeborenen. Und auch hier gilt die Regel: Besucher mit Atemwegsinfektionen sind tabu.

11. Darf man Angehörige im Pflegeheim besuchen?

Ja, das ist nach der neuen Verordnung erlaubt, aber ebenfalls nur in sehr engen Grenzen: Wer im Pflegeheim lebt, darf einmal am Tag von einer einzelnen Person Besuch bekommen, die nach einer Stunde wieder gehen muss. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren dürfen nicht unter den Besuchern sein und auch keine Menschen mit Atemwegsinfektion.

12. Ist es erlaubt, sterbende Angehörige im Hospiz zu besuchen?

Ja, das lässt die Verordnung zu. Für Menschen in Einrichtungen der Sterbebegleitung gibt es keine Beschränkungen für den Empfang von Besuch.

13. Und was ist zum Beispiel mit Trauerfeiern?

Hierbei handelt es sich laut Verordnung um „Zusammenkünfte im privaten oder familiären Bereich von bis zu 10 Personen“ aus zwingenden Gründen – die ausnahmsweise erlaubt sind. Was noch unter diese Ausnahmeregelung fällt, ist unklar. Aber klar ist: Die maximale Teilnehmerzahl solcher Treffen liegt bei zehn Personen.

14. Was ist mit Demonstrationen? Sind die auch verboten?

Große Demos ja. Ausnahmen sollen „für Versammlungen unter freiem Himmel von bis zu 20 Teilnehmenden“ im Einzelfall möglich sein, wenn die Ansteckungsgefahr gering bleibt. Darüber befindet die Versammlungsbehörde nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt – nach welchen Kriterien, ist noch unklar. Hintergrund: Die Versammlungsfreiheit ist ein besonders hohes Gut in einer Demokratie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die Regelungen der Verordnung sind nicht angemessen. Eine angemessene Bearbeitung hätte man aber von einem Rot-Rot-Grünen Senat erwarten dürfen.



    Man hätte auch erwarten dürfen, dass die Freiheits-Rechte aller hier Wohnenden als allerhöchstes Gut bewertet werden. Das Covid-Schutzziel wäre auch anders erreichbar gewesen und - viele Fachleute haben bereits darauf hingewiesen - kann man ja nicht nur an Covid erkranken oder sterben: Mit den Ausgangsverboten werden amdere Krankheiten zunehmen; Depressionen, Verzweiflung - möglicherweise Suizide - werden sich mehren. Diese Aspekte sind gesamthaft abzuwägen.

    Und man hätte schliesslich von einem Rot-Grün-Roten Senat erst recht erwarten dürfen, dass Ehe und Verpartnerungen gegenüber Partnerschaften ohne Schein in keiner Weise priviligiert würden. Rot-Rot-Grün vertritt plötzlich die Politik meiner Grosselterngeneration. Das ist - nach jahrelangen Enttäuschungen - für einen Grünen der frühen Stunde immer noch schwer hinnehmbar.