Neue Comedy-Show „RTL Topnews“: Beinahe witzig
RTL hat ein neues Late-Night-Format, bei dem Comedians die Ereignisse der letzten Woche kommentieren. Doch die Witze zünden nicht.
Es gibt wenige Dinge, für die es sich lohnt, wach zu bleiben, wenn man eigentlich schlafen will: Sternschnuppen, die Rückkehr eines geliebten Menschen von einer Reise, neue Folgen einer tollen Serie. Das neue Late-Night-Format von RTL „RTL Topnews“ gehört nicht dazu. In der Sendung diskutieren und witzeln die Comedians Ilka Bessin, Faisal Kawusi, Özcan Cosar, Bastian Bielendorfer und Till Reiners über die Nachrichten der Woche. Moderiert wird die Show von Sarah Valentina Winkhaus, die damit Neuland betritt. Normalerweise ist sie bei Sport1 tätig.
„RTL Topnews“ ist eine Mischung aus der „heute-show“ und der Kultsendung „7 Tage, 7 Köpfe“. In Einspielern werden die Themen der letzten Woche – in der ersten Folge waren es Bundestagswahl, Klimastreik und die MET-Gala – satirisch zusammengefasst. Dann ergreift Winkhaus das Wort und stellt eine Frage an die anwesenden Komiker*innen, die dann die Geschehnisse im Gespräch miteinander kommentieren.
Soweit das Prinzip der Sendung. Die Sache ist: Sie ist einfach nicht witzig geworden. Im besten Fall zuckten vielleicht mal die Mundwinkel. Im schlimmsten Fall war es so unangenehm, dass nur die Aussicht auf Honorar verhinderte, dass die Autorin nach fünf Minuten aufgab. Ein großes Problem waren die Einspieler selbst. Sie sezierten nicht etwa geistreich die Nachrichten, sondern sorgten eher für entnervtes Aufstöhnen. Wenn es da über Annalena Baerbocks Umgang mit den Plagiatsvorwürfen heißt, sie hätte sich verhalten wie „eine Grundschülerin, die mit einem schokoladenverschmierten Gesicht schwört, dass sie auf keinen Fall vom Kuchen genascht hat“, kann man nur vor Fremdscham das Gesicht verziehen.
„RTL Topnews“ läuft immer Donnerstags um 23.15 Uhr bei RTL und kann bei TVNOW gestreamt werden
Wenn es wenigstens empörend, fies, hart an der Grenze, aber treffend wäre… Aber die Diskussionen der Comedians, die laut RTL angeblich „ganz ohne Gefasel, Floskeln und Blabla“ funktionieren sollen, sind flach. Man könnte ihnen zugestehen: Die Chemie stimmt eben noch nicht. Bälle, die sie sich gegenseitig zuwerfen, fliegen ins Leere. Ilka Bessin ist über weite Strecken der Sendung gar nicht wahrzunehmen – und wenn sie etwas sagt, dann ist es zu 90 Prozent ein „Ich bin fett“-Witz. Özcan Cosar und Bastian Bielendorfer versuchen derweil, sich zu necken, wie damals bei „7 Tage, 7 Köpfe“. Hierin liegt vielleicht noch Potential, je mehr sich die Comedians untereinander kennen und sich anfangen mehr zu trauen.
Hazel Brugger kann auch nicht alles retten
Faisal Kawusi sitzt nicht am Tisch, sondern hat seine eigene Rubrik „Faisal schlägt nach“. Dabei erklärt er unterschiedliche Buzzwords – in dieser Sendung war es Greenwashing – wobei erklären nicht das richtige Wort ist. Er zitiert kurz die Definition und verfällt dann in einen Wutanfall, beleidigt Firmen als „ehrenlose Bastarde“ und zerstört das Keyboard. Es ist, als hätte man Gernot Hassknecht bei Wish bestellt.
Die Moderatorin Sarah Valentina Winkhaus bleibt im Hintergrund und farblos. Es ist klar, dass sie keine Komikerin ist. Sie huscht schnell von Thema zu Thema und lässt sonst die anderen reden. Das Highlight der Sendung war dann Hazel Brugger, die in einer Straßenumfrage Betrunkene nach Slogans für die einzelnen Parteien fragt. Frau Brugger kann eben nichts falsch machen – aber auch nicht alles retten.
„RTL Topnews“ versucht viel und erreicht wenig. Einiges könnte sich mit der Zeit verbessern, wenn die Comedians sich untereinander wohler fühlen und mehr aufeinander eingespielt sind. Auch Winkhaus kann noch auftauen. RTL-Unterhaltungschef Markus Küttner hat das im DWDL-Interview vorweggenommen: Die Sendung sei „eine „Experimentierwiese, auf der sich alle Beteiligten so richtig austoben können und sollen.“ Bis es soweit ist, ist Schlaf der Sendung auf jeden Fall vorzuziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht