Neue Bündnisse bei den Bürgerrechtlern: Netzwelt an FDP
Die FDP hat nun die Chance, ihr Verhältnis zu den Bürgerrechts-Aktivisten neu zu klären – bisher stand man sich nicht nah. Aktuell bemüht sich die Bewegung um Dialog mit den Liberalen.
Als Patrick Breyer vom AK Vorratsdatenspeicherung vor knapp einem Monat öffentlich zur Wahl der FDP aufrief, verursachte dies einen regelrechten Sturm der Empörung. "FDP" bedeutet für viele aus der Bürgerrechts-Bewegung "wirtschaftsliberale BWLer".
Das liegt auch daran, dass die FDP beispielsweise auf den großen zivilgesellschaftlichen Ereignissen wie der "Freiheit statt Angst"-Demo nur als "kleiner versprengter Haufen" vertreten war. Vielen ist nicht klar, ob der Bürgerrechts-Flügel der FDP überhaupt eine Relevanz hat. Bisher vermutet man nur wenige Linksliberale in der FDP – nicht viel los außer den drei "Freiburgern" Burkhard Hirsch, Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Jetzt gehen die Aktivisten auf die Liberalen zu. "Wir haben schon vor den Koalitionsverhandlungen Frau Leutheusser-Schnarrenberger einen großen Katalog an Forderungen zugeschickt", sagt Padeluun vom Bürgerrechtsverein Foebud. Er hofft darauf, dass die FDP-Frau sich für Bürgerrechte starkmacht - schließlich kämpfte sie schon als Justizministerin in den Neunzigern gegen den "großen Lauschangriff" und trat zurück, weil sie ihn nicht verhindern konnte.
Nun ist sie erneut für diesen Posten im Gespräch - und Bürgerrechtler Padeluun glaubt, dass sie ebenso wie die FDP-Granden Baum und Hirsch "viel in die Wagschale werfen" wird, um am Ende eine bürgerrechtlich-liberale Handschrift im schwarz-gelben Koalitionsvertrag deutlich erkennbar zu machen.
Markus Beckedahl von netzpolitik.org vermutet, dass es den Liberalen kaum gelingen wird, grundsätzliche Veränderungen, so wie sie sie im Wahlkampf angekündigt haben, durchzusetzen. "Allerhöchstens kosmetische Veränderungen beim Netzsperren-Gesetz", schätzt Beckedahl, der die Verhandlungen in seinem Blog begleitet. Man könne davon ausgehen, dass "die FDP Skalps will". Es müsse allerdings beachtet werden, dass die CDU kurz vor der Wahl einen Forderungskatalog lanciert habe – sicherlich als Verhandlungsmasse.
Rena Tangens vom FoeBuD benennt den CDU-Forderungskatalog so, wie er in der Bürgerrechts-Bewegung verstanden wird: "Horrorliste". In dem Papier werden unter anderem mehr Befugnisse für den Verfassungsschutz, mehr Befugnisse für die Polizei und eine Verschärfung des Strafrechts gefordert. "Mit dieser Liste zeigt die CDU der FDP die Folterinstrumente", so Tangens.
Genug gute Argumente also für die Netzaktivisten, bei der FDP Verbündete zu suchen und in einen Dialog zu treten. Um die Gesetzgebung zu beeinflussen, helfen ihnen die bisherigen Kanäle – zu Grünen und Linkspartei – nicht weiter. Denn mit ein paar kosmetischen Veränderungen beim Netzsperrengesetz wollen sich die Aktivisten nicht abspeisen lassen.
Der AK Vorratsdatenspeicherung fordert Leutheusser-Schnarrenberger mit einer Postkarten-Aktion zum Handeln auf. "Stoppen Sie die Vorratsdatenspeicherung jetzt", so die Forderung des AK. Durch die Vorratsdatenspeicherung würden nur 0,006 Prozent mehr Straftaten aufgeklärt. "Dafür alle erfassen?" fragt der AK und weist noch einmal auf die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hin: "Unter den Beschwerdeführern befinden sich auch Hermann Otto Solms und Leutheusser-Schnarrenberger, die an den Koalitionsverhandlungen beteiligt sind".
Alvar Freude vom Arbeitskreis Zensur fordert von der FDP: "Das Netzsperrengesetz muss ganz weg." Das habe die Partei schließlich im Wahlkampf versprochen. Auf der Mailingliste von Freudes Netzwerk lesen und schreiben einige FDPler, auch ein Bundestagsbüro. Man steht also in Kontakt, aktive Lobbyarbeit bei der FDP wollen aber derzeit weder der AK Zensur noch andere Netzaktivisten zugeben – wohl aus taktischen Gründen. Aktuell beschränkt man sich auf öffentliche Appelle an FDP-Bürgerrechtler. Eine Ausnahme ist Patrick Breyer vom AK Vorrat: Er rief schon vor der Wahl dazu auf, FDP zu wählen - aus pragmatischen Gründen.
Bisher läuft die Kommunikation zwischen beiden Seiten noch schleppend. Man kennt sich einfach noch nicht gut. Das liegt auch daran, dass die Netzaktivisten von den etablierten Parteien in den letzten Jahren häufig enttäuscht wurden. Zuletzt bei der Debatte über das Netzsperrengesetz, in der sie sich alleingelassen und in ihren Argumenten ignoriert sahen. Der Bürgerrechtler Padeluun sieht es darum weiter als Aufgabe, "solche Themen in die Debatte hineinzubringen". Die Parteien "schaffen das nicht, das hat man ja gesehen".
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