Neue BBC-Gerichtsserie: Die Akten und die Toten

Gerichtsserien lässt man am besten von Anwälten schreiben. Mit der Serie „Silk – Roben aus Seide“ zeigt die BBC, wie das geht.

Schick in Seide: die Anwälte der Gerichtsserie „Silk“. Bild: ZDF/BBC 2011

Das englisch-walisische Rechtssystem ist dermaßen kompliziert, dass wohl nur ein gelernter Jurist eine annähernd realistische TV-Serie zum Thema zustande bringt. Mit Peter Moffat – nicht zu verwechseln mit dem verstorbenen Regisseur Peter Moffatt – stand der BBC der passende Autor zur Verfügung. Moffats Weg führte von der Jurisprudenz über das Hörspiel zur Fernseherzählung; den Einstieg ermöglichte ihm ein Episodenskript für „Kavanagh QC“ – eine Anwaltsserie.

„QC“ steht für „Queen‘s Counsel“, Kronanwalt, und damit wären wir bei „Silk – Roben aus Seide“. Wer zum Kronanwalt berufen werden möchte, muss sich bewerben und bewähren.

In der Regel wird pro Kanzlei nur einem oder einer Auserwählten die Ehre zuteil, die Seidenrobe – „Silk“ – der privilegierten Kronanwälte tragen zu dürfen, die der Serie den Titel gab. In der Sozietät Shoe Lane Chambers gibt es gleich zwei Anwärter: den nicht immer ehrlich spielenden Schürzenjäger Clive Reader (Rupert Penry-Jones) und die ehrgeizige Martha Costello (Maxine Peake).

Bürovorsteher Billy Lamb (Neil Stuke), für Akquise und Finanzen zuständig, sieht Costellos möglichen Aufstieg mit gemischten Gefühlen. Denn die 37-Jährige gilt, im uncharmanten Jargon der Geschäftemacher gesprochen, als Arbeitstier. Sie ist erfolgreich und bringt Geld ein.

Gerade hat sie wieder eine Verhandlung zugunsten ihres Mandanten entschieden und schleppt ein Wägelchen voller Akten zurück ins Büro. Lamb sieht sie vom Fenster aus kommen, schon lastet der nächste Fall auf ihren Schultern.

Veraltetes Verständnis von Gerechtigkeit

Anfangs scheint es, als folge Autor Peter Moffat dem klassischen Modell der Gerichtsserie. Die von ihrer Arbeit und, so sehen es viele ihrer Kollegen, von einem unzeitgemäßen Gerechtigkeitsbegriff besessene Costello verbeißt sich in ihre Aufzeichnungen, hält flammende Plädoyers und erreicht Urteile, die der Zuschauer als richtig empfindet. Weil er zumindest vor dem Bildschirm ja auch in gefühlsgesteuerten Gerechtigkeitskategorien denkt.

Aber mag Costello das Debattierfeld auch als Heldin in weißer Rüstung verlassen, bleibt die Welt doch in Unordnung. Daran können kleine Siege nichts ändern. Im Gegenteil, manchmal verschlimmert sich die Lage gar. So, als sie einem des Raubes angeklagten Wiederholungstäter zur Freiheit verhilft – und bald selbst von dem psychischen gestörten Mann behelligt wird.

Die Serie hat diverse durchlaufende Themen, namentlich die Schwächen des englisch-walisischen Rechtssystems, das aus langer, wenngleich mittlerweile aufgeweichter Tradition zwischen „Solicitors“ und „Barristers“, Rechtsberatern und Prozessanwälten, unterscheidet und so Abhängigkeiten und Machtgefüge schafft. All das wirkt sich auf die Abläufe in der Sozietät aus, wo Billy Lamb schon mal zu unsauberen Methoden greift, aber nicht als einziger intrigiert und manipuliert.

Martha Costello ergibt sich den beruflichen Zwängen ohne Widerstand. Sie lebt allein und verbringt die meisten Abende mit der Vorbereitung auf ihre nächsten Prozesse. Manchmal sind es mehrere gleichzeitig, was ihr und ihrem neuen Referendar einiges abverlangt. Tatsächlich begreift sie, in der letzten Folge der ersten Staffel wird es offen angesprochen, die Kanzleikollegen als (Ersatz-)Familie – die Psychografie einer Arbeitssüchtigen.

Ob sie Zutritt zum elitären „Silk“-Zirkel erhält? Die Antwort bleibt dem Staffelende vorbehalten. Bis dahin darf man mitbangen, ehe in Staffel zwei, die ZDFneo ab 5. August in direktem Anschluss zeigt, ein neuer Spannungsbogen aufgezogen wird.

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