Neubau nach dem Mietendeckel: Nie mehr Großbaustelle?
Die Immobilienlobby klagt über den Mietendeckel in Berlin. Ihre Drohung, jetzt werde nicht mehr gebaut, ist aber haltlos.
F ahrpreissenkungen führen nicht zu mehr U-Bahn-Zügen. Die Erhöhung des Mindestlohns bringt nicht mehr Jobs. Und, aktueller Champion der Sinnlos-Sätze: Der Mietendeckel schafft keine neuen Wohnungen. Es ist nicht verwunderlich, dass sich diese nur formal richtige, aber ansonsten auf Verwirrung setzende Aussage in einem offenen Brief von 23 Verbänden und Einzelpersonen der Bau- und Wohnungswirtschaft an den Berliner Senat wiederfindet. „Der Neubau wird entgegen Ihrer Erwartungen im Senat nicht angekurbelt“, heißt es da.
Nun soll der Mietendeckel gar keine neuen Wohnungen schaffen, sondern die Exzesse am Wohnungsmarkt beenden. Dass das Neubauvolumen deswegen abnehmen wird, ist ein gern bemühtes, aber wenig nachvollziehbares Argument. Es ist allein der Neubau, der von den strengen Mietbeschränkungen des Deckels ausgenommen wird. Nur hier lassen sich die nächsten Jahre noch dicke Profite erzielen. Davon abgesehen: Die großen Konzerne, ob Deutsche Wohnen oder Akelius, bauen schon bislang so gut wie keine Wohnungen. Stattdessen versuchen sie ihren Bestand zu vergolden.
Dass die Genossenschaften wesentlich weniger bauen werden, wie Maren Kern vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen prophezeit, ist auch nicht nachvollziehbar. Der „atmende Deckel“, der ab übernächstem Jahr Mieterhöhungen von 1,3 Prozent ermöglicht, ist eine Konzession an deren Wirtschaftlichkeit.
Insgesamt warten im Moment etwa 55.000 Wohnungen in der Stadt darauf, gebaut zu werden – ihre Genehmigungen sind schon erteilt. Die Angst der Handwerksinnungen, die den Brief mit unterschrieben haben, ist unbegründet – die Aufträge gehen so schnell nicht aus. Mit einer Ausnahme: Weil eine viel teurere Wiedervermietung nicht mehr drin ist, wird es wohl weniger umfassende Luxussanierungen geben. Das aber ist genau so gewollt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell