Netzpolitik in der EU: Ein Spezialdienst für die Bürger
Das EU-Parlament entscheidet über die Neutralität des Netzes. Kritiker der Neuregelung fürchten ein Zwei-Klassen-Netz.
BERLIN taz | Das EU-Parlament stimmt am Donnerstag über die Zukunft des Internets ab. In Brüssel müssen die Parlamentarier über ein Gesetzespaket entscheiden, das den Datenverkehr im Netz neu regulieren soll. Kritiker der geplanten Änderungen laufen dagegen seit Monaten Sturm, weil sie mit dem Vorhaben die sogenannte Netzneutralität in Europa gefährdet sehen. Für besondere Aufregung sorgt bei ihnen der Vorschlag, sogenannte Spezialdienste zwischen Internetanbietern und einzelnen Kunden zuzulassen.
Demnach sollen Provider ihren Kunden schnellere Netzverbindungen für bestimmte Datenpakete anbieten dürfen, wenn diese dafür extra bezahlen. Befürworter dieser Regelung sind vor allem Internetanbieter wie die deutsche Telekom. Mit Hilfe der angeführten „Spezialdienste“ hoffen sie auf zusätzliche Einnahmen. Denn mit der Neuregelung könnten sie von großen Streamingdiensten, wie beispielsweise YouTube, Sonderzahlungen für ihre Datenpakete verlangen. Außerdem plant die Telekom mit den Mehreinnahmen ihre Infrastruktur auszubauen.
Verbraucherschützer und Onlineaktivisten sehen in dem Vorhaben dagegen eine Gefahr für die Netzneutralität. Bislang werden Daten ungeachtet ihrer Herkunft oder ihres Adressaten von den Internetanbietern mit der gleichen Geschwindigkeit übertragen. Die vom Industrieausschuss vorgesehenen „Spezialdienste“ stellen für die Kritiker ein Schlupfloch dar. So könnten finanzstarke Kunden künftig bevorzugt werden.
Die Kritiker warnen vor einem „Zwei-Klassen-Internet“ mit schnellen Verbindungen für große Kunden und einem langsamen Netz für alle anderen. Mit Onlinepetitionen fordern Gegner der Neuregelungen die Abgeordneten des EU-Parlaments dazu auf, gegen den Entwurf zu stimmen. Die deutsche Kampagnenorganisation Campact hatte bis zum Mittwoch nach eigenen Angaben 150.000 Unterschriften gesammelt.
Entscheidung offen
Wie das EU-Parlament abstimmt, ist allerdings noch offen. Im März hatten die Mitglieder des Industrieausschusses, in dem das Paket erarbeitet wurde, den Änderungen mehrheitlich zugestimmt.
Vielen EU-Parlamentariern dürfte daran gelegen sein, das Gesetzespaket möglichst schnell zu verabschieden. Es sieht neben den Änderungen des Internetverkehrs auch ein vorgezogenes Ende der Roaming-Gebühren vor. Entscheidet das Parlament für das Gesetzespaket, könnten Bürger auf Reisen innerhalb der EU schon ab Ende 2015 ohne Extrakosten mit ihrem Handy telefonieren, SMS verschicken oder im Internet surfen. Kurz vor der Europawahl hoffen viele Parlamentarier daher, mit einer positiven Abstimmung bei den Wählern zu punkten.
Wie schnell mögliche Änderungen dann tatsächlich umgesetzt werden, ist eine nächste Frage: Selbst wenn das EU-Parlament für das Gesetzespaket stimmt, steht die Entscheidung des europäischen Ministerrates noch aus. Diese wird erst nach der Europawahl erwartet.
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