Netflix-Serie „Wellmania“: So viel Doppelkinn war nie

Die in Australien sehr berühmte Komikerin Celeste Barber kämpft in der Netflix-Serie „Wellmania“ gegen die Pfunde und den Self-Care-Wahn.

Zwei Frauen joggen am Strand

Lauf, Celeste Barber, lauf! Foto: Lisa Tomasetti / Netflix

Leute, wer kennt das nicht – wenn wir uns zwischen einer spontanen Einladung zum Cremant um die Ecke und einer Runde Yoga am Abend entscheiden müssen, ist das Fleisch schwach, dampfen sich die guten Vorsätze binnen Minuten auf ein kümmerliches Häuflein ein. So tickt der Mensch (bis auf wenige Ausnahmen) nun mal und bei Chips und Bier auf dem heimischen Sofa werden trotzdem ständig Selbstoptimierungspläne geschmiedet. Ab einem gewissen Alter nicht nur der eigenen Attraktivität, sondern der Gesundheit wegen.

Die Themen „Wellness“ und „Self care“ touchieren also früher oder später jeden und daher war es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Komplex auch in Serien verhandelt wird.

Seit dem 29. 3. ist auf Netflix die erste Staffel von „Wellmania“ zu sehen. Die australische Produktion besetzte die Hauptrolle mit der Schauspielerin und Autorin Celeste Barber, die in ihrer Heimat bereits ein Star ist. Hierzulande dürfte sie vielen durch Instagram bekannt sein. Auf ihrem Account stellt sie schonungslos hyperästhetische, bearbeitete Fotos und Videos von weiblichen Stars nach, indem sie deren unrealistische Posen übernimmt und der Lächerlichkeit preisgibt. Sollte die Kollegin am Schreibtisch neben ihnen manchmal aus dem Nichts heraus kichern – gehen auch sie auf Barbers Insta-Kanal und sie werden es ihr nachtun. Über 9 Millionen Fol­lo­wer:­in­nen hat sie dort bereits und weiß ihre Popularität zu nutzen. Bestseller, ausverkaufte Comedytourneen und ein ergiebiger Spendenaufruf für die Buschfeuer bekämpfende Feuerwehr in Australien (der leider durch chaotische und undurchsichtige Planung in die Kritik geriet) sprechen für sich.

Als Schauspielerin über Jahre nur so semibekannt, da eher in Nebenrollen zu sehen, beweist sie nun, dass sie eine ganze Serie tragen kann. Liv (Celeste Barber) ist Journalistin mit Spezialgebiet „Food“ und lebt in New York. Dort führt sie ein Leben außer Rand und Band. Partys, Alkohol, Kokain und sexuelle Ausschweifungen gehören zu ihrer Tagesroutine. Immer mit großer Klappe, immer mäandernd zwischen Hot und Schrott, taumelt sie gutgelaunt und kalauernd durch die Stadt und will eigentlich nur kurz wegen der Hochzeit ihres Bruders zurück in ihre australische Heimat fliegen, denn ein wichtiger TV-Job winkt im Big Apple.

Dort angekommen, wird ihr allerdings ihr ungesunder Lebenswandel zum Verhängnis, als sie ihre Greencard verliert und beim Neuantrag nicht durch den Gesundheitscheck kommt. Zu hoher Blutdruck, schlechter Allgemeinzustand. Verzweifelt versucht sie, binnen 4 Wochen wieder in Form zu kommen, um schnell nach New York zurückfliegen zu können. Dieses Vorhaben erweist sich natürlich als genauso aussichtslos wie der vielen bekannte Versuch, 10 Kilo in 5 Tagen wegen eines bevorstehenden Dates abzunehmen.

Einläufe, Fitnessstudios, Jogginghölle, Pilates – wir sind dabei und leiden mit ihr, wenn sie immer wieder an ihrer mangelnden Disziplin scheitert. In wurstpellenartige Sport­outfits gezwängt, wütet sich die Gestresste durch Down Under. Barber zeigt ihren Körper in allen erdenklichen Verrenkungszuständen. Sie ist umwerfend, weil ihr für heutige Verhältnisse ungewöhnlich bewegliches Gesicht Gemütszustände perfekt zu spiegeln vermag. Mit Doppelkinn und schludriger Frisur steht Liv auf verlorenem Posten, wenn das pralle, unbezähmbare Leben über sie hinwegrollt.

Erzählt werden aber auch eine durchaus tragische Familiengeschichte, eine Frauenfreundschaft und eine aufkeimende Liebe. Hier wird es manchmal mühsam, da Gefühlsduseligkeit und plumpe Albernheiten ins Spiel kommen. Leider. Trotzdem – die mit jeweils 30 Minuten angenehm kurzen Episoden sind hochamüsantes Comedy-Gold und ein Plädoyer gegen Optimierungswahn und Schönheitskult. Wenn Barber als Liv beim Sporteln ein T-Shirt mit der Aufschrift „Linguini and Clams“ trägt, ist sie fleischgewordene Entlastungsfantasie für Genussmenschen jenseits der 38. Darauf einen Grünalgen-Mimosa!

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